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Verfassungsschutz und Waffenbehörden


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Verfassungsschutz darf nicht alles an die Waffenbehörden berichten

Es ist ein ständiges Mantra dieses Blogs, auf das Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizeibehörden hinzuweisen. Das Thema ist stets aktuell, zuletzt durch die Forderungen nach einer erneuten Verschärfung des Waffengesetzes als Reaktion auf die Razzien bei Reichsbürgern.  Meine Meinung habe ich in einem Interview für den Deutschlandfunk Nova klar akzentuiert.

Mancher Politiker-Heißsporn hat offenbar die dicken Pflöcke, die das Bundesverfassungsgericht eingerammt hat, nicht wahrgenommen. Im Verfassungs-Sprech heißt das Thema „Informationelles Trennungsgebot“ oder „Informationelles Trennungsprinzip“.  Im Jahr 2022 hat das BVerfG diesbezüglich den Gesetzgebern zwei massive Klatschen erteilt:

  • Die Entscheidung mit Gesetzeskraft „Bayerisches Verfassungsschutzgesetz“ vom 26.04.2022 – 1 BvR 1619/17, für die sich der Senat 5 Jahre Zeit genommen hat und dann das Gesetz vor allem im Hinblick auf die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangter Informationen für teilweise verfassungswidrig erklärte. Der Entscheidung ist ein mehrseitiges Inhaltsverzeichnis vorangestellt.
  • Die Entscheidung mit Gesetzeskraft „Bundesverfassungsschutzgesetz – Übermittlungsbefugnisse“ vom 28.09.2022 – 1 BvR 2354/13, für die sich der Senat knapp 10 Jahre Zeit genommen hat und dann die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobener personenbezogener Daten im Gesetz für teilweise verfassungswidrig geißelte.

Den Entscheidungen vorangestellt ist die selbstverständliche Feststellung, daß die weitreichenden Überwachungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden können, wenn die aus der Überwachung gewonnenen Informationen nicht ohne Weiteres an andere Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen übermittelt werden dürfen („informationelles Trennungsprinzip“). Die Politik ist sich dessen offenbar nicht bewußt und fordert ständig den Austausch zwischen den Behörden, ich habe das den morgendlichen Stuhlkreis genannt.

Bedingungen für die erlaubte Datenübermittlung

Beide Entscheidungen sind für den Juristen, den Waffenrechtler allemal, sehr lesenswert. Das BVerfG schreibt die Bedingungen fest, unter denen eine Übermittlung der Daten zulässig ist.

  1. Die Datenübermittlung muß verhältnismäßig im engeren Sinne sein.
  2. Nach dem Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung muß geprüft werden, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln neu erhoben werden dürften. Das bemisst sich danach, ob bspw. der Waffenbehörde unter den gegebenen Bedingungen eine eigene Befugnis eingeräumt werden dürfte, die Daten mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln wie dem ersten Eingriff erneut zu erheben.
  3. Die Übermittlung – auch von aus weniger eingriffsintensiven Maßnahmen erlangten Informationen – darf nur zum Schutz eines Rechtsguts von herausragendem öffentlichem Interesse erfolgen.
  4. Als Übermittlungsschwelle für Übermittlungen durch den Verfassungsschutz an Gefahrenabwehrbehörden muss wenigstens eine konkretisierte Gefahr bestehen. „Der Begriff der hinreichend konkretisierten Gefahr ist dabei weiter als der der konkreten Gefahr, die eine Sachlage voraussetzt, bei der im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die jeweiligen Rechtsgüter eintreten wird (vgl. BVerfGE 115, 320 <362>).Die konkretisierte Gefahr verlangt, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter bestehen. Dies kann schon dann der Fall sein, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen (vgl. BVerfGE 141, 220 <272 f. Rn. 112>).“
    (BVerfG, Beschluss vom 28. September 2022 – 1 BvR 2354/13 –, Rn. 134, juris)

§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 WaffG verpflichtet die Waffenbehörde, Auskünfte der Verfassungsschutzbehörde einzuholen. Diese wird aufgrund der dezidierten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sehr genau prüfen, welche Daten sie bekannt gibt. Insbesondere die Übermittlungsschwelle stellt hier eine sinnvolle Barriere dar.

 

 

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