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Rätsel N° V-2 - diesmal einfach


Völker

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Das obere Gewehr ist das französische Infanteriegewehr "Fusil de Tige 1848", also das "Dorngewehr M 1848" und das untere Stück ist die schleswig-holsteinische Dornbüchse M 1848.

Beide Waffen besitzen in der Schwanzschraube einen in der Laufachse stehenden Dorn, der auf eine Erfindung des französischen Obersten der Artillerie THouvenin zurückging.

Thouvenin führte in den Lauf ein unterkalibriges Spitzgeschoss ein und stauchte es auf dem Dorn der Schwanzschraube, wodurch das Geschoss im Durchmesser vergrößert wurde und dadurch Führung in den Zügen erhielt. Dieses System wurde in Frankreich 1848 beim Militär eingeführt, hatte aber einen entscheidenden Nachteil:

Zum einen lagerte sich um den Dorn im Laufe der Zeit eine Menge Pulverschleim und unverbrannte Rückstände an, die dort nicht herauszubekommen waren, zum andern kam es sehr oft vor, daß die Dorne nach und nach krumm gestaucht wurden und dann ihre Funktion nicht mehr erfüllen konnten. Natürlich eignete sich dieses billig herzustellende System sehr gut zur Umrüstung bisher glatter Vorderlader, da man lediglich die Schwanzschraube ausbauen und den Dorn einpassen musste. Aber viele der glatten Flinten hatten zum Einschneiden der Züge einfach viel zu dünne Läufe, so daß man nur ausgesuchte Stücke umändern konnte.

Die größere Präzision und Reichweite der schweren Spitzkugelgeschosse musste freilich mit einem erhöhten Rückstoß und verringerter Rasanz erkauft werden. Mit Rücksicht auf die stark gekrümmten Geschossflugbahnen wurden komplizierte, neue Visiere mit vielen Einstellmöglichkeiten erforderlich, deren richtige Handhabung nicht einfach war und eine besonders gründliche Ausbildung der Soldaten im Distanzschäzen erforderte.

Und noch ein Problem tauchte unerwartet auf: Eine rätselhafte Seitenabweichung, genannt Derivation, aber darüber hatten wir ja bereits gesprochen....

Gruß

corrado26

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@corrado: :o

Hier - z.T. ergänzend, z.T. überlappend zu corrados Antwort meine kurzen Ausarbeitungen:

Es handelt sich bei beiden Waffen um Dornbüchsen, System Thouvenin

Bei Dornbüchsen ist in der Mitte des Bodens der Pulverkammer (also zentrisch zur Laufseele) ein mit einer Spitze versehener Stahldorn eingeschraubt. Letzterer ist so lang bemessen, daß zwischen ihm und der Seelenwand die erforderliche Pulverladung untergebracht werden konnte. Als Geschoß benutzte man entweder eine Rundkugel (ungünstig), später jedoch ein Langgeschoß (Spitzgeschoß). Das Geschoß ist leicht unterkalibrig, so daß das Laden mit Spielraum erfolgte. Durch Aufstauchen auf den Dorn wurde der Durchmesser des Geschosses so erweitert, bis er die Züge voll ausfüllte. Damit beim Stauchen die Geschoßspitze nicht beschädigt wurde, war der Ladestock mit einer entsprechenden Höhlung versehen. Als nachteilig erwies sich hierbei das ungleichmäßige Aufsetzen der Geschosse, was ungleiche Schußweiten zur Folge hatte. Auch erschwerte der Dorn in der Pulverkammer das Reinigen des Laufes. Die Dorne wurden auch leicht beschädigt, was in diesem Fall zu faktischen Unbrauchbarkeit der Waffe führte. Diese Nachteile fielen bei dem im Jahre 1849 erfundenen Expansionsgeschoß weg.

Erfinder dieses Systems:

Thouvenin (spr. tuhw'náng), Louis Etienne de, geb. 1791 zu Moyenvic (Meurthe), wurde 1811 Artillerieleutnant im französischen Heer, focht mit Auszeichnung in den Feldzügen 1813-15, dann 1823 in Spanien, 1828 in Griechenland, trat 1853 als Brigadegeneral in den Ruhestand und starb 1882. Er schlug 1840 eine Verbesserung des gezogenen Gewehrs vor, indem er einen Dorn in der Schwanzschraube des gezogenen Gewehrs anbrachte, und konstruierte 1844 eine Dornbüchse mit Langgeschoß, welche 1846 angenommen, fast in allen Heeren als Jägerwaffe, auch als Birsch- und Scheibenbüchse benutzt und erst durch das Minie- und Zündnadelgewehr verdrängt wurde.

(Zitiert aus: Meyers Konversationslexikon, 1888)

Warum wurden Thouvenins Dornbüchse und Miniés Expansionsgeschoß überhaupt erfunden?

Friedrich Engels dazu in „Taktik der Infanterie aus den materiellen Ursachen abgeleitet“

Bei alledem war das Infanteriegewehr (Anm: der Napoleonischen Zeit) herzlich schlecht, so schlecht, daß man damit auf 100 Schritt nur selten einen einzelnen Mann, und auf 300 Schritt ebenso selten ein ganzes Bataillon treffen konnte. Als daher die Franzosen nach Algier kamen, erlitten sie von den langen Flinten der Beduinen starke Verluste auf Entfernungen, auf die ihre Gewehre wirkungslos waren. Hier konnte nur die gezogene Büchse helfen; aber grade in Frankreich hatte man sich, wegen ihrer langsamen Ladbarkeit und raschen Verschleimung, stets gegen die Büchse, selbst als Ausnahmewaffe, gesträubt. Jetzt aber, als das Bedürfnis einer leicht ladbaren Büchse sich geltend machte, wurde es auch sofort erfüllt. Den Vorarbeiten Delvignes folgten Thouvenins Dornbüchse und Miniés Expansionsgeschoß, welches letztere das gezogne Gewehr dem glattläufigen in bezug auf Ladbarkeit vollkommen gleichstellte; so daß von da an die ganze Infanterie mit weittragenden und genau schießenden gezognen Gewehren bewaffnet werden konnte. Aber ehe der gezogne Vorderlader sich die ihm angemeßne Taktik schaffen konnte, wurde er schon verdrängt durch die neueste Kriegswaffe, den gezognen Hinterlader, mit dem gleichzeitig sich die gezognen Geschütze zu immer höherer Kriegsbrauchbarkeit entwickelten.

Zu den konkret abgebildeten Waffen

Bild 1)

Bayerische Jäger-Dornbüchse M 1854 / 1858

@ corrado: baugleich zu Fusil de Tige 1848? Das Bild habe ich aus "Bayerische Waffen" entnommen.

Charakteristika: Kaliber 17.5 / 18.5 mm (vier Züge), Länge 127 cm (mit Yatagan 185 cm), Lauflänge 89.5 cm, Gewicht 4.5 kg.

Die lange Halteschiene für den Yatagan war rechts vorne am Lauf; Garnitur aus Eisen mit 3 Ringen, Kurvenvisier (nach links); das Messingkorn war eingeschoben; es besass einen Stecher, Fingerblech und einen runden Riemenknopf im Kolben. Der mittlere Ring hatte den Riemenbügel. Der Lauf war hinten etwa 24 cm lang achtkantig; das Schlossblech war flach und hinten rund zulaufend.

Verwendet wurde dieses Gewehr für die Schützenkompanien der Infanterie-Regimenter. Hergestellt wurden ca. 11 000 Stück und war bis 1859 im Dienst, bei den Jägern sogar bis 1862; pro Bataillon gab es 905 Stück.

Das Bajonett zur Dornbüchse M1854 war ein Yatagan mit Länge 69.5 cm, Klingenlänge 57.5 cm, Klingenbreite 30 mm. Es hatte einen Messinggriff mit Sperrfeder, beide Enden der Parierstange (mit Laufring) waren nach unten gebogen Die Griffhöhe lag bei 110 mm, die Scheidenbeschläge waren aus Messing. Produziert wurden ca. 11 000 Stück.

(Quelle: Benedikt Hammer, Waffen der Bayerischen Armee http://www.bayerischewaffen.de/wa-1830.htm / )

Bild 2)

Preußisch M 1809 U/M 1849 für S-H hergestellt Dornbüchse.

Auf dem zweiten Bild das S-H Wappen auf der in Suhl hergestellten Dornbüchse.

Munition: Das schleswig-holsteinische Spitzgeschoß

Die Standardpatronen der schleswig-holsteinischen Infanteristen und Jäger in der Schlacht von Idstedt werden in Rendsburg hergestellt und an die Truppe ausgegeben worden sein. Sowohl die Rundkugeln als auch die Spitzkugeln wurden aus Bleistangen gepreßt , in Papierröllchen eingebunden und mit Schwarzpulver gefüllt. Da auch Kugelzangen mit dem schleswig-holsteinischen Kaliber und Geschossform bekannt sind, wird die Munition auch in Ausnahmefällen von den Soldaten im Felde selbst hergestellt worden sein. Beim Laden der Waffen gab es einen großen Unterschied. Bei den glattläufigen Gewehren wurde die Patrone aufgebissen, das Pulver in den Lauf geschüttet und die Kugel mit dem Papier in den Lauf geschoben, was bei einigen Kugeln auch sichtbar ist. Bei den Dornbüchsen mußte das Geschoß zum Laden aus dem Papier genommen werden . Möglich ist auch, daß nur die Pulverladungen in Papierrollen abgefüllt waren und die Spitzgeschosse lose in der Patronentasche mitgeführt wurden.

Geschichtliches:

Die Schleswig-Holsteinische Erhebung gegen Dänemark, 1848-1851

Unsere heutige Gegenwart ist geprägt von unsrer Geschichte. Unser Denken und Handeln bezieht, ob wir es wollen oder nicht, unsere Vergangenheit mit ein. Ebenso war die schleswig-holsteinische Erhebung gegen Dänemark 1848-1851 ein Teilvorgang der europäischen und deutschen Revolution. Mit ihr kamen lange schwelende staatsrechtliche, nationale, liberale, demokratische, soziale und militärische Probleme sowie europäische Machtinteressen auf die politische Tagesordnung.

Seit den 1840er Jahren (z.B. 1830 mit U. J. Lornsen) hatte der deutsch-dänischen Gegensatz im Gesamtstadt an Schärfe zugenommen. Die dänischen Nationalliberalen, die Eiderdänen erstrebten einen dänischen Nationalstaat, dessen Südgrenze die Eider bilden sollte. Die deutsch gesinnten Schleswig-Holsteiner wünschten, dass ganz Schleswig-Holstein einem künftigen deutschen Nationalstaat mit der Königsau als Nordgrenze angeschlossen werden sollte. Beide, Deutsche und Dänen, beanspruchten das ganze Herzogtum Schleswig, und beide unterbauten ihre Ansprüche mit historisch-rechtlichen Argumenten. Gemeinsam war beiden nationalen und liberalen Bewegungen die Gegnerschaft zum dänischen Absolutismus sowie der Wunsch nach einer freiheitlichen Verfassung. Aber die geschichtliche Entwicklung hatte einer gemeinsamen liberalen Frontstellung längst den Boden entzogen.

Am 18.03.1848 forderten die schleswig-holsteinischen Stände(Ständeversammlung) und eine Volksversammlung in Rendsburg unter anderem die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund, Presse- und Versammlungsfreiheit sowie eine Volksbewaffnung. Zur gleichen Zeit entstand in Kopenhagen ein konservativ-liberalen Ministeriums auf Grundlage der Eiderpolitik. Dies veranlasste die führenden Männer der schleswig-holsteinischen Landespartei am 24.03.1848 eine Provisorische Regierung (Friedrich Graf Reventlow, W. H. Beseler, Prinz Friedrich von Noer, Theodor Olshausen u.a,) zu bilden. Mit ihrem Aufruf "Mitbürger" (Aufrechterhaltung der Rechte des Landes und des angestammten Herzogtums, Anschluß an die Einheits- und Freiheitsbestrebungen Deutschlands) gewann sie die Mehrheit der Schleswig-Holsteiner für sich. Ein Krieg mit Dänemark war die Folge.

Gleichwohl hat die Provisorische Regierung mit den vereinten Ständen und der nach allgemeinem und direktem Wahlrecht gewählten Landesversammlung eine Reihe von Reformen eingeführt: Presse-, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Bürgerbewaffnung und allgemeine Wehrpflicht; sozial ungerechte Steuern und Privilegien (z.B. das Jagdrecht wurde an den Grundbesitz gebunden, nicht mehr an das Adelsprivileg) wurden abgeschafft. Das Staatsgrundgesetz vom 15.09.1848 ist bezeichnet worden als "die demokratischste Verfassung, die man in Europa bis dahin gesehen hatte" (H. P. Clausen).

Den Krieg, in dem die Schleswig-Holsteiner von Bundestruppen und von Preußen unterstützt wurden, beendete der am 26.08.1848 auf Druck der Großmächte zustande gekommene Waffenstillstand von Malmö, in dem der Rücktritt der Provisorischen Regierung (22.10.1848) und die Einsetzung einer konservativen "Gemeinsamen Regierung" festgelegt worden war. Nach Ablauf des Waffenstillstandes brach der Krieg am 03.04.1849 wieder aus; er endete abermals durch Einwirkung der Großmächte mit dem Berliner Waffenstillstand vom 10.07.1849. Die Ende März eingesetzte schleswig-holsteinische Regierung, die Statthalterschaft (Reventlow, Beseler), blieb auf Holstein beschränkt; Schleswig wurde fortan von einer dänisch-preußischen Kommission (Landesverwaltung) regiert, mit einem Engländer als Schiedsrichter.

Am 02.07.1850 wurde in Berlin durch Preußen ein Friedensvertrag unterzeichnet, der die Wiederherstellung des Gesamtstaats vorsah. Die Statthalterschaft sah sich gezwungen den Krieg gegen Dänemark wieder Aufzunehmen der mit der Niederlage bei Idstedt praktisch entschieden war. Preußen arrangierte sich mit Österreich und die schleswig-holsteinische Sache wurde dem Frieden geopfert. Beide deutschen Großmächte bewirkten die Unterwerfung der Landesversammlung und der Statthalterschaft am 01.02.1851. Im folgenden Jahr wurde Schleswig-Holstein wieder der Autorität des dänischen Königs unterstellt. Die Großmächte erkannten die Integrität des Gesamtstates im Londoner Protokoll vom 08.05.1852 an, ohne sie freilich zu garantieren.

Zitiert aus: http://www.sh4851.de/home.html Homepage von Jochim Weise

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Tolle Ausarbeitung :!:

Ich habe mich bei der Identifizierung an die Zeichnung gehalten und das ist keinesfalls die bayerische Dornbüchse, sondern der carabine à tige der Franzosen. Die bayerische Dornbüchs 1848 (siehe Bild) hat ein vorliegendes Perkussionsschloss, nicht ein rückliegendes, wie das französische Stück und ist auch sonst völlig anders gestaltet.

Gruß

corrado26

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Danke das Lob - aus deiner Tastatur :o ist mir das sehr viel wert!

Aha, das Bild war also nicht korrekt - wieder was dazugelernt. Die von dir angesprochenen "Kleinigkeiten" sind mir einfach nicht aufgefallen.

Ich persönlich lerne wahnsinnig viel durch diese Rätsel, sowohl beim Lösen als auch beim selber erfinden eines Rätsels. Bei beiden muß man sich mit der konkreten Waffe selbst und der Historie dieser Waffe auseinandersetzen. Das macht Spaß! Vielleicht werde ich ja doch mal Sammler.

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