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Gäfgen zieht vors Europa-Gericht


Hoss

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Wenn ein festgenommener Dealer sein Drogenversteck nicht verrät, dauert seine Straftat sicherlich noch an, obwohl er sich in Polizeigewahrsam befindet, insoweit sind die Fälle vergleichbar. Es liegt aber keine Notwehrlage vor. Jede "verschärfte" Verhörmethode wäre eine Straftat der Polizisten.

Im Fall Jakob lag aber aus Sicht der Beamten eine Notwehrlage vor.

Wenn ein Bankräuber mit der Geisel die Bank verläßt, ist ein tödlicher "Rettungsschuß" rechtens. Schweigt der gefaßte Kidnapper im Verhör und verhungert dadurch das Opfer in seinem Verlies, soll die Polizei nichts machen dürfen? In beiden Fällen ist eine Notwehrlage gegeben. Wieso darf die Polizei in dem einen Fall handeln, in dem anderen nicht?

Wo ist da die Logik?

Und Attila, glaubst Du wirklich, daß die Polizei zu jeder Vernehmung neutrale Zeugen hinzuzieht? Sich selber so unter Generalverdacht stellt? Wieviele Polizisten dürften ernsthaft daran glauben, mit Folter bessere Ermittlungsergebnisse zu erzielen?

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Mein lieber Marc, ich habe nur Attilas Argumentation aufgegegriffen und auf einen RECHTLICH bedeutenden Unterschied zwischen diesen Fallgruppen hingewiesen.

Für mich relevant ist die Notwehr-/Nothilfesituation bzw die (im Nachhinein immerhin gerichtlich überprüfbare) Annahme der Beamten, in einer Nothilfesituation zu handeln.

Für mich macht es keinen Unterschied, ob der Täter sein Opfer mit einer Waffe bedroht oder in einem Erdloch verhungern läßt. In beiden Fällen liegt ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff auf Freiheit und Leben des Opfers vor, also eine Notwehr-/Nothilfelage. Wieso die Polizei in dem einen Fall Nothilfe leisten darf, in dem anderen aber nicht, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Selbst von den Gegnern des Nothilferechts der Polizei im zweiten Fall (Opfer im Erdloch) wird idR eingeräumt, daß die Angehörigen des Opfers fraglos ein Nothilferecht hätten und den Widerstand des Täters, das Versteck des Opfers zu verraten, mit Gewalt (Folter) brechen dürften.

Nur die Polizei soll dieses Recht nicht haben (nach einer Meinung in der Literatur zu diesem Thema).

Deshalb noch einmal meine Frage: Was macht den der Polizist, dem nach dem Daschner-Urteil selber die Hände gebunden sind, wenn der Vater des Entführungsopfers verlangt, alleine und ohne Störung mit dem Täter reden zu dürfen?

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...Was macht den der Polizist, dem nach dem Daschner-Urteil selber die Hände gebunden sind, wenn der Vater des Entführungsopfers verlangt, alleine und ohne Störung mit dem Täter reden zu dürfen?

Ist doch klar: Der geht Kaffee holen (und laesst sich dabei natuerlich Zeit) und mach die Tuere schoen hinter dem Vater zu.

Vorher stellt er aber klar, das die Handschellen sicher am Tisch angeschlossen sind, damit das Schwein nicht abhauen kann.

Wenn er wiederkommt bringt er dann die Kammera mit, um Bilder zu machen wie der nun Gestaendige verhaftet worden ist, damit Dieser spaeter nicht behaupten kann er waere im Gefaengnis mishandelt worden!

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Till :

Das mit dem Drogendealer war ja nur ein Beispiel, wohin die Reise gehen Kann

Auch nicht Drogenversteck verraten, aber die Hintermänner oder gar die Kunden.

Der vergleich mit dem finalen Rettungschuß und Daschners Versuch hinkt auch ein wenig.

Der finale Rettungsschuß darf auch nicht bei jeder Bedrohung einer Geisel angewendet werden sondern nur in außergewöhnlichen Aussnahmesituationen, bei der sicher ist, daß der Geiselnehmer die Geisel töten wird.

Das ist so ohne weiteres nämlich längst nicht zwangsläufig gegeben.

Beispiel :

Ein Flugzeugentführer entführt eine Maschine und nimmt die Besatzung als Geiseln:

Die Polizei wird nicht sofort schießen auch wenn sie könnte, sondern wird verhandeln, zermürben.

Die Situation eskaliert , der Geiselnehmer erschießt unvermittelt eine Geisel und kündigt an ,jede nächste Stunde eine weitere zu erschießen.

(War schon mal da )

Ergo, zum Schutz der Geiseln ... Finaler Rettungschuß notwendig... soweit OK.

Wenn ein Bankräuber mit der Geisel die Bank verläßt, ist ein tödlicher "Rettungsschuß" rechtens.

Eben nicht immer, sondern in Zusammenhang mit einer bestimmten Situation.

Sowie eine Chance besteht, den Geislenehmer anders zu überwältigen dürfen sie das wohl nicht oder besser : tun sie das nicht.

Im Fall Jakob hätte es ja auch sein können, daß der Junge genug Lebensmittel und Wasser zur Verfügung hatte oder ein anderer Komplize den Jungen versorgt hätte ?

War die Notwehrsituation, die zur Abwendung einer Gefahr wirklich so zwingend unter Zeitdruck gegeben und jetzt pikant gefragt:

Hätte sich der Verdacht von Daschner als falsch erwiesen und Gräfgen wäre irrtümlich gefoltert worden, wäre das Putativnotwehr ?

Was wäre, wenn Gräfgen einfach aus irgendeinen Grund die Unwahrheit gesagt hätte, so wie viele Täter aus unlogischen Gründen falsche Geständnisse machen ?

Kann man jemand aus vermeintlich gerechtfertigten Notwehrgründen Gründen foltern, denn anders als bei einer echten Notwehrsituation, wo der Angriff sichtbar , gegenwärtig und direkt erfolgt , geht es ja bei Folter um das Erlangen von Informationen die möglicherweise jemanden retten können.

Auch die Notwehr gegen direkten Angriff, sowieso die Verteidigung mit Schußwaffen, erfordert ziemlich eindeutige Kriterien und eindeutige Indizien ....gar Tatsachen, daß der Angriff stattfindet.

Aus Vermutungen heraus er könnte ja eine Waffe ziehen oder aufgrund einer Aussage des potentiellen Angreifers , es könnte ein Angriff auf mein Leben stattfinden ("ich bring Dich um ") und deshalb vorsorglich mal zu schießen , dürfte wahrscheinlich bei keinen Richter auf Gnade stoßen.

Ich meine, hier ist eine gefährliche Grenze, bei der die Überschreitung schnell zu Mißbrauch führen kann, denn wo ist die Notwehrfolter notwendig und wann ist dies eindeutig.

Das Gericht hat ja übrigens wohl gegen Daschner entschieden und Folter abgelehnt.

Ich gebe gerne zu , daß das Thema sehr emotional ist und als Privatmann kann man hier leicht in Versuchung kommen, genauso zu handeln.

Aber Daschner war eben kein Privatmann sondern Funktionsträger des Staates.

Zu den Zeugenaussagen:

Meines Wissens müssen bei polizeilichen Vernehmungen mindestens zwei oder mehrere Beamte anwesend sein, sonst steht Meinung gegen Meinung.

Ich meinte auch nicht, daß Privatpersonen dazugezogen werden, aber Beamte werden vor Gericht auch als Zeugen geladen und müssen wahrheitsgemäß aussagen.

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Attila,

warum so kompliziert? Jakob war zum Zeitpunkt der Folterandrohung bereits tot, Gäfgen hatte ihn schließlich sofort umgebracht. Es bestand also in Wirklichkeit keine Notwehrlage. Entsprechend war Daschners Drohung auch rechtswidrig. Konnte Daschner allerdings beim besten Willen nicht wissen, da Gäfgen schließlich die ganze Zeit - wahrheitswidrig - behauptete, das Kind würde noch leben. Damit war Daschner (nach meiner Auffassung) entschuldigt, er hat sich nicht strafbar gemacht.

Meine Meinung setzt allerdings voraus, daß die Polizei Nothilfe zugunsten des Kindes hätte leisten dürfen. Damit wird keineswegs der Willkür Tür und Tor geöffnet und Folter legalisiert. Damals stand das absolute Lebensrecht des Kindes gegen das absolute Recht des gefangenen Straftäters auf körperliche Unversehrtheit. In so einer Situation müssen die Beamten eine Entscheidung treffen, die zwangsläufig zur Verletzung von Grundrechten entweder des Täters oder des Opfers führt. Hier zu sagen, wir opfern grundsätzlich das Leben des Entführungsopfers, weil das Folterverbot heilig ist, halte ich für äußerst unmoralisch und der Sache nicht angemessen.

So weit geht das Landgericht auch gar nicht.

In dem Urteil hat das Landgericht unterstellt, daß noch nicht alle anderen Möglichkeiten, den Aufenthaltsort des Opfers aus Gäfgen herauszuholen, erschöpft gewesen seien. Deswegen sei Daschner nicht entschuldigt.

Und so sieht die Polizeigewerkschaft das Urteil:

Das Gericht stellte klar, dass am absoluten Verbot der Androhung oder Anwendung von

Gewalt zur Erlangung jedweder Aussage (auch nur zum Aufenthaltsort eines

Entführungsopfers) nicht zu rütteln sei, was auch nicht in Frage stand.

Und die Frage, ob solches Tun im konkreten Einzelfall nicht doch entschuldigt sein kann,

wurde in diesem Prozess auch nur für diesen Fall entschieden. Für diese Frage kann es

keine allgemeingültige Aussage für die Zukunft geben, sondern es wird immer eine

Einzelfallprüfung erforderlich bleiben.

-2-

-2-

Das Gericht stellte zwar fest, dass es generell keine Rechtfertigung für ein Verhalten wie von

den Kollegen Daschner und Ennigkeit geben kann. Aber es wurde nicht vorgetragen, dass

solches Verhalten generell nicht entschuldbar sei (über den übergesetzlichen Notstand).

Vielmehr stellte das Gericht bei Prüfung des in Rede stehenden Einzelfalls fest, dass das

Verhalten von Wolfgang Daschner und Ortwin Ennigkeit nicht durch den übergesetzlichen

Notstand zu entschuldigen, und damit schuldhaft sei.

Die Begründung hierfür lautet, dass die Androhung der Anwendung von Gewalt zu diesem

Zeitpunkt am Morgen des 1.10.02 noch nicht als „ultima ratio“ zu bewerten sei, weil nach

Überzeugung des Gerichts in Folge der Aussagen von Zeugen im Verfahren in dieser Phase

noch nicht alle anderen Möglichkeiten zur Rettung des Kindes ausgeschöpft waren.

Die folgende logische Schlussfolgerung treffe ich im Bewusstsein um ihre mögliche

Tragweite:

würde in einem ähnlich gelagerten Fall die Androhung oder gar Anwendung von Gewalt

tatsächlich auch nach Auffassung des Gerichts als „ultima ratio“ geschehen, so könnte ein

Gericht möglicherweise zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um übergesetzlichen

Notstand handelt.

Dann wäre die Tat nicht schuldhaft und es müsste ein Freispruch erfolgen.

http://www.dpolg-hessen.de/ak_dasch2112.pdf

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Mannomann, ihr seid ja immer noch nicht fertig mit dieser Diskussion. Ich

bin Vater dreier Kinder. Ich würde jedem Entführer meiner Kinder selbstverständlich alle Menschenwürde zukommen lassen, die er verdient.

Wenn ich nicht wüßte, wo so ein ehrenwerter Entführer gerade mein hilfloses Kind verrecken lassen würde, das gerade lauthals nach Mutter und Vater schreit, und seinem Tode entgegenfürchtet, ein Stück Kuchen anbieten und es absolut vermeiden, ihn schroff anzuschauen. Mein Blick könnte Folter bedeuten und den Täter in seiner Ehre und in seinen Menschenrechten verletzen.

Das würde ich als staatstreuer Verfassungsbefolger auch anderen Eltern raten, die lediglich ein Kind vermissen und es in der Obhut eines schutzbedürftigen Täterchens wissen, das es lediglich ein wenig fürchterlich und grausam und a wenig elendiglich verrecken läßt. Wie ungeheuer wertvoller ist die Würde des Täters??

hemo

ich fang langsam an zu kotzen

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Und Till, du solltest mal endlich anfangen, deinen Schönfelder bei solchen Diskussionen in die Näher deiner Mülltonne zu stellen.

Atila hat mal absolut unrecht. So kann man solche Diskussionen nicht führen. Menschenrechte haben auch Opfer. Und meiner Meinung nach kann man bei solchen Themen auch das GG und die StPO in die Tonne kloppen, wenn man das Opfer ohne Menschenrecht gegen den Täter mit demselben in einem Atemzug diskutiert.

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Der Haken ist, dass es zwar Putativ-Notwehr, aber keine Putativ-Nothilfe im StGB gibt.

Gericht: BSG Datum: 25.3.1999 Az.: B 9 VG 1/98 R

Fundstelle: Lexetius.com/1999,1590

Zitierhäufigkeit: 6× § 32 StGB

Leitsätze:

1. Ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff iS von § 1 Abs 1 OEG kann auch in der Abwehrhandlung gegen denjenigen zu sehen sein, der irrtümlich eine Nothilfesituation annimmt.

2. Befindet sich der (Putativ-) Nothilfeleistende erkennbar in einem unverschuldeten Irrtum, ist das Notwehrrecht aus sozialethischen Gründen eingeschränkt.

Aus: http://dejure.org/dienste/lex2/StGB/32/1.html

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@Klaus

Hier geht es um die Abwägung von "Würden". Quasi:"Welche Würde ist mehr wert, die von Gäfgen, oder die von dem unter Todesangst eingesperrten Jungen". Genau genommen geht es auch um die Würden der Eltern. Bei Gäfgen hat man nur seine Würde unter Hinweis auf das Grundgesetz (die Würde des Menschen ist unantastbar) bewertet. Nicht aber die anderen betroffenen Würden, die ich dann als "Opfer" bezeichnet habe. Man muß ja auch nicht gleich sein Gesetzbuch wegwerfen, aber man kann die betreffenden Gesetze auch anders auslegen, als im Fall Gäfgen geschehen.

Um es nochmal klar zu sagen, man kann auch betroffene Würden gegeneinander abwägen. Und im vorliegenden Fall fiele mir die Wahl nicht schwer.

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hemo,

hier wuseln auch drei Kleinteile rum, was sicher einer der Gründe ist, warum ich bei dem Thema so engagiert bin (und der Fall hat hier vor der Haustüre gespielt).

Mich regt die - auch hier vertretene - Brutalität gegenüber dem Opfer, die Kaltschnäuzigkeit, mit der ein Leben wegen des heiligen Folterverbotes geopfert werden soll, auf.

Eine Abwägung, die zu so einem Ergebnis kommt, kann nicht richtig sein. Mehr wollte ich gar nicht sagen.

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Lieber Till. Ich muß und möchte mich bei dir entschuldigen. Ich habe dich nicht angreifen wollen. Ich wollte nur die Diskussion dahin haben, daß man nicht immer nur stur den derzeitig "modernen" Verfassungsrechtlern nacheifert. Wir hatten solche Vögel doch im letzten Jahrhundert satt und genug. Man denke nur an die Zeit vor 65 Jahren, was da alles lebenswert war und was nicht. Geltendes Recht!!!

Würde, lebenswert, höherrangig etc. Ich kann es nicht mehr hören. Kann denn die Auffassung von Eltern, die sich in die Lage ihres verreckenden Kindes hineinversetzen und die Würde ihres Kindes mit allen Mitteln retten und verteidigen wollen falsch sein, wenn sie die Würde eines perversen Dreckschweines minderwertig einstufen? Und wenn ein Polizist das tut, was die Elten getan haben würden, ist dann der Polizist ein Verbrecher?? Wo leben wir eigentlich?

Ich sage es hier öffentlich: Wenn es mein Kind gewesen wäre und ich im Vernehmungsraum beim grinsenden Gaefgen, dann wäre der vielleicht nicht tot. Aber dem würden ein paar wesentliche Körperteile fehlen.

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