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Explodierende Gehirne


357.mag

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Neue Erkenntnisse zu Hochgeschwindigkeitsmunition

Es ist praktisch schon vergessen: Da tötet Ende 1999 Martin Peyerl vier Menschen, indem er mit den legalen Waffen seines Vaters aus den Fenstern des Wohnhauses in Bad Reichenhall wahllos auf Passanten schießt, und schon ein Jahr später ist die damals geforderte Verschärfung der Schusswaffen-Gesetze immer noch nicht erfolgt. Denn noch immer gelten in Deutschland beruhigende Aussagen: "Wir haben keine amerikanischen Verhältnisse!" und "Waffen gibt es bei uns auch nicht so viele." Doch das ist weit gefehlt, denn in jedem zehnten Haushalt gibt es Waffen und Munition - darunter sehr viele automatische Waffen, wie das M-14 Sturmgewehr von Martin Peyerl. Eine andere Verharmlosung ist die Behauptung, in Deutschland gebe es gar keine Waffenlobby und alles sei ohnehin in Gesetzen hinreichend geregelt. Tatsache aber ist, dass sich Waffenlobbyisten, Jäger- und Schützenverbände - erfolgreich und praktisch verborgen vor der Öffentlichkeit - seit Jahren gegen Änderungen im Waffenrecht wehren.

Und auch die offizielle Statistik der "wenigen" Feuerüberfälle und Amokläufe sagt wenig über die tatsächlichen Gefahren aus. Viele Fälle werden nur im lokalen Rahmen gemeldet, und selbst die Polizeibehörden lassen erst nach den Polizistenmorden im Jahr 2000 überhaupt alle Angriffe auf ihre Beamten mit Schusswaffen registrieren. Außerdem könnte rein technisch so mancher Mord mit einer Schusswaffe unerkannt bleiben. Denn gerade Kleinkaliber-Waffen schlagen nur winzige Einschusslöcher, die schnell in den Hautfalten der Opfer verschwinden. So geschehen im Dezember 1999 in einem Dorf bei Braunschweig. Damals wurde die Notärztin Petra Ruhr zu einem Patienten in Not gerufen: Erste Diagnose Herzinfarkt: "Die Rettungssanitäter meinten, er hätte einen Herzinfarkt und haben dann direkt mit den Wiederbelebungsmaßnahmen angefangen. Als ich dazukam, haben wir diese fortgeführt, wobei mir auffiel, dass der Patient extrem blass war. Und dann haben wir das T-Shirt hochgehoben und haben gesehen, dass er in der Nähe des Herzens so einen kleinen, minimalen Einschuss hatte. Und dann habe ich für mich relativ schnell klar gehabt, dass dieser Patient eine Schussverletzung hat."

Dieser Mord wurde nur erkannt, weil die Ärztin jahrelang bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr Erfahrungen mit Schussverletzungen gemacht hatte, die andere Notärzte in Deutschland bisher nicht machen konnten. Erst nach mehrmaliger Aufforderung nahm die Polizei diesen Fall überhaupt zur Kenntnis. Das erklärt auch, warum die Tatwaffe nie gefunden wurde und der schließlich vor wenigen Wochen verurteilte 15-jährige Junge mit einer geringen Strafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge davonkam. Dieser Fall zeigt auch: Kleinkalibrige Geschosse erzeugen ein nur schwer erkennbares Einschussloch - im Körper aber tödliche Verletzungen. Wird zudem noch Hochgeschwindigkeitsmunition - wie für Jagdwaffen und Maschinenpistolen inzwischen üblich - vom Täter eingesetzt, hat das Opfer keine Chance. Denn trifft das Geschoss auf ein wasserführendes Organ, so explodiert dieses, ohne dass außen irgendetwas zu sehen ist. Das hat der Göttinger Gerichtsmediziner Harald Kijewski in Experimenten bestätigt, die seit Herbst zu starken Diskussionen geführt haben.

Bisher galt in der Wundballistiker-Szene die Meinung, dass sie glatt durchgehen und sie also nicht gegen die Haager Landkriegsordnung verstießen. Hier ist der Regelungsbedarf des Gesetzgebers gefragt. Und auch die Medizinerausbildung muss sich Notfällen durch Schussverletzungen viel stärker zuwenden, bestätigt der Chef des Kölner Rettungswesens Alex Lechleuthner: "Früher hatten wir zwanzig Schussverletzungen im Jahr, heute jeden Monat zwei bis drei." Die Innenministerkonferenz hatte das Thema wegen des anstehenden NPD-Verbotes im November wieder von der Tagesordnung genommen. Ob es im Jahr 2001 zu einer Verschärfung der Waffengesetze kommt, ist fraglich - bis das nächste Massaker geschieht.

Sehr geehrte Zuschauerin,sehr geehrter Zuschauer -

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