Jump to content

Irak will seine Polizistinnen entwaffnen


Toni

Recommended Posts

Die USA sorgen sich vor einer Islamisierung der irakischen Sicherheitskräfte: Nachdem die Amerikaner seit Jahren auch Frauen für den Polizeidienst werben, will Bagdad die Polizistinnen am liebsten wieder loswerden. Jetzt sollen sie ihre Waffen abgeben.

Bagdad - Die irakische Regierung hat alle Polizistinnen des Landes angewiesen, ihre Waffen abzugeben, um sie unter männlichen Kollegen weiterverteilen zu lassen. Die "Los Angeles Times" berichtet heute über einen entsprechenden Erlass des irakischen Innenministeriums vom Ende vergangenen Monats. Die Zeitung beruft sich dabei auf Dokumente der Behörde, deren Inhalt US-Offizielle bestätigt hätten. Betroffen seien alle weiblichen Sicherheitskräfte, die die von den USA ins Leben gerufene Polizeiakademie absolviert hätten.

Kritiker werten den Erlass als jüngstes Zeichen eines religiösen und kulturellen Konservatismus, der im Irak seit dem Sturz Saddam Husseins in der schiitisch dominierten Regierung um sich greift. Diese Tendenz zur Islamisierung widerspreche den amerikanischen Bemühungen, den Irak zu stabilisieren, sagte US-Brigadegeneral David Phillips, der die Ausbildung bewaffneter Polizistinnen in der Vergangenheit vorangetrieben hatte. "Wir haben das so gesehen: Wenn wir 50 Prozent der bisher nicht genutzten brain power in diesem Land in Dienst stellen könnten, wie viel weiter könnten wir wohl sein?", beschrieb Phillips den Grundgedanken des Programms.

Der werde nun von den irakischen Behörden durchkreuzt: Ohne Polizistinnen gäbe es keine Sicherheitskräfte, die Leibesvisitationen an verdächtigen Frauen vornehmen könnten, mahnte Phillips. Und das, obwohl zuletzt immer wieder Selbstmordattentäterinnen blutige Anschläge verübten. Erst in der vergangenen Woche hatte sich eine Terroristin nördlich von Bagdad in die Luft gesprengt und mindestens 16 Menschen mit in den Tod gerissen. Es war mindestens das fünfte Attentat dieses Jahres, das eine Frau verübt hat.

Ein anderer ungenannter US-Berater warnte laut "LA Times", der Verzicht auf bewaffnete Polizistinnen würde die Ermittlungen in Vergewaltigungsfällen behindern, weil kaum ein Opfer bereit sei, zu den Verbrechen gegenüber Männern auszusagen.

Extremisten bedrohen irakische Polizisten

Irakische Polizistinnen selbst beklagten sich gegenüber der Zeitung, dass sie sich unbewaffnet nicht schützen könnten - weder im Dienst noch in der Freizeit. Extremisten haben im Irak bereits Dutzende Sicherheitskräfte getötet, weil sie ihnen Zusammenarbeit mit den Amerikanern vorwerfen. Den Polizisten ist es deswegen erlaubt, ihre Pistolen aus Sicherheitsgründen auch nach Dienstschluss zu tragen.

"Wir werden als Polizistinnen betrachtet. Wir müssen damit rechnen, entführt zu werden. Wir könnten ermordet werden. Wenn jemand rausfindet, wo wir arbeiten, würde er auf jeden Fall versuchen, uns etwas anzutun", zitiert die Zeitung eine 27-Jährige. Ungläubig fragt sie: "Wie kann ich eine Polizistin sein ohne Waffe?" Wie US-General Phillips sehen sie den Entwaffnungs-Erlass nur als jüngsten einer ganzen Reihe von Schritten, die die Polizistinnen zunehmend zum Dienst am Schreibtisch verdammen.

Das irakische Gesetz verwehrt Frauen im Polizeidienst derzeit jede Chance zum Aufstieg auf die Kommandeursebene. Laut Phillips haben sich Polizistinnen ihm gegenüber immer wieder über die begrenzten beruflichen Möglichkeiten und Belästigung am Arbeitsplatz beklagt.

"Hier kümmern sich Männer um Frauen"

Die USA hatten 2004 mit der Ausbildung von Polizistinnen begonnen. Schnell gab es viel mehr Interessenten als Akademieplätze, so dass viele Bewerberinnen abgewiesen werden mussten. Bis Ende 2004 hatten rund tausend Frauen das Training an der Polizeiakademie erfolgreich abgeschlossen. Doch seit die Amerikaner die Verantwortung für die Polizeirekruten im Februar 2006 an die irakischen Behörden übergaben, ist die Zahl weiblicher Absolventen laut Phillips auf praktisch Null abgestürzt.

Auf amerikanische Bedenken gegen die jüngsten Pläne reagierte das Innenministerium jedoch mit Unverständnis. "In diesem Land kümmern sich die Männer um die Frauen", zitierte Phillips einen Behördenvertreter. Im Polizeidienst hätten Frauen deswegen nichts verloren.

Auf Anfrage der "LA Times" wollte das Innenministerium den Erlass nicht kommentieren.

http://www.spiegel.de

Link to comment
Share on other sites

Create an account or sign in to comment

You need to be a member in order to leave a comment

Create an account

Sign up for a new account in our community. It's easy!

Register a new account

Sign in

Already have an account? Sign in here.

Sign In Now
×
×
  • Create New...

Important Information

Imprint and Terms of Use (in german)