Jump to content

Hände weg von den Fingerabdrücken!


rugerclub

Recommended Posts

Hände weg von den Fingerabdrücken!

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30109/1.html

Joachim Jakobs 14.04.2009

Fingerabdrücke sind bei Politikern 'in' - aber es handelt sich um ein biometrisches Auslaufmodell

Wolfgang Schäuble will mit ihnen Waffen sichern, ab Jahresende erhalten die Bundesbürger einen neuen Personalausweis, indem sie auch ihre digitalisierten Fingerspuren hinterlassen können. Und die Ärzte sollen womöglich künftig [extern] elektronische Rezepte mit dem Abdruck ihres Fingers signieren.

download

Damit scheint die Politik einer Forderung von Felix Freiling nachzukommen: Der Inhaber des Lehrstuhls für Praktische Informatik I der Universität Mannheim hat bereits vor einem Jahr gemahnt, mehr Aufwand in die Identifikation von Berechtigten zu stecken. Ausdrücklich nennt Freiling auch die Biometrie. Und zu der zählen eben auch die Fingerabdrücke. Insofern hätten Schmidt und Schäuble ja auch mal was richtig gemacht, worauf wir an dieser Stelle ausdrücklich gern hinweisen würden.

Würden! Wenn sie hätten! Wenn es da nicht so viele Fußangeln gäbe: In einer Studie im Auftrag des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik ( BSI) – einer Behörde, die Innenminister Wolfgang Schäuble unterstellt ist! - wies die Hälfte der Testsysteme bis zu zehn Prozent der zu kontrollierenden Personen fälschlich ab. Und: Zehn Jahre nach der Abnahme scheinen viele Fingerabdrücke bereits ihr Haltbarkeitsdatum zu überschreiten. In der Studie heißt es:

Auf Basis der gemachten Untersuchungen kann abgeschätzt werden, dass sich die FRR (die fälschliche Erkennungsrate, Anmerkung Datensalat) etwa verdoppelt, wenn der zeitliche Abstand auf 10 Jahre anwächst.

Im Unterschied zu den Bürohengsten (und -stuten!) in Berliner Ministerien schwingen Ärzte nicht nur Bleistifte, sondern arbeiten praktisch – was mitunter fettige Finger nach sich zieht. Es würde mich brennend interessieren, wie Fingerabdruckscanner auf die Bedienung durch einen Finger reagieren, der kurz zuvor noch eine Salbe aufgetragen hat. Oder: Wie viel Abdruck hinterlässt denn eigentlich ein Finger im Einmalhandschuh? Vermutlich ähnlich wie bei Menschen, die – wegen ihres hohen Alters oder jahrelanger schwerer Arbeit –keine Fingerabdrücke haben.

Spannend ist auch dieser Aspekt: Die Fingerabdruckscanner werden zertifiziert und sind vermutlich dementsprechend teuer. Auf den Rechner des Sachbearbeiters werden sie aber unverschlüsselt übertragen. Begründung: Der Sachbearbeiter müsse die Qualität des Abdrucks prüfen. Der Sicherheitsberater Gunnar Porada ist sich sicher, dass er falsche Fingerabdrücke in seinen Ausweis bekommen könnte, wenn er dies wollte.

Aber alles das ist seit einem Jahr Makulatur. Genau genommen, seitdem die Fingerabdrücke des Innenministers auf dem Markt sind. Bereits heute kann jeder Kriminelle so tun, als ob Wolfgang Schäuble eine Straftat verursacht hat. Und jede auch noch so kluge Maschine wird annehmen (müssen), dass es tatsächlich der Innenminister war.

Wer partout ein biometrisches Merkmal im Personalausweis unterbringen will, könnte es vielleicht mal mit der Handschriften oder der Sprechererkennung probieren. Auch damit würde der Forderung Felix Freilings nach verbesserten Identifikationssystemen entsprochen. Der Sprechererkennung steht – so zumindest die Meinung des BSI noch eine große Zukunft bevor. Die Erkennung von Fingerabdrücken wird – nach Erkenntnis der sechs Jahre alten Studie - ihre Bedeutung verlieren.

Ich hätte da eine Bitte: Liebe Politiker, wärt Ihr so nett und achtet darauf, dass Ihr die Abdrücke Eurer Griffel nicht auf Themen hinterlasst, von denen Ihr nix versteht? Das wär' sehr nett!

Edited by rugerclub
Link to comment
Share on other sites

Auf Basis der gemachten Untersuchungen kann abgeschätzt werden, dass sich die FRR (die fälschliche Erkennungsrate, Anmerkung Datensalat) etwa verdoppelt, wenn der zeitliche Abstand auf 10 Jahre anwächst.

Anmerkung:

Es gibt bei biometrischen Erkennungsverfahren zwei Fehlerquoten, nämlich die FRR (false reject rate), also die Zahl der Fälle, wo ein Berechtigter fälschlich abgewiesen wird, und die FAR (false accept rate), das sind die Fälle, in denen einem Unberechtigten fälschlich Zugang o.Ä. gewährt wird.

Je "schärfer" das System z.B. einen Fingerabdruck kontrolliert (mehr Referenzpunkte, die stimmen müssen), desto niedriger wird die FAR, aber zugleich steigt auch die FRR, weil eben durch kleine Verletzungen, Arbeitsspuren, diverse Verschmutzungen etc. der berechtigte Fingerabdruck eben nicht immer 100% identisch ist mit der gespeicherten Vorlage.

Umgekehrt gilt das natürlich auch: Eine möglichst niedrige FRR durch viel Spielraum beim Abgleich führt zwangsweise zu einer hohen FAR.

Trennung.

Einigen Kritikpunkten aus dem Ursprungspost kann ich mich so nicht anschließen, wenn es speziell um die biometrische Sicherung von Waffenschränken geht.

Die Verdopplung der FRR nach einer Frist von 10 Jahren ist hier total egal, weil der jeweilige Waffen- und Tresoreigentümer jederzeit "nachlegen" und seinen Fingerabdruck neu einspeichern kann.

Dies gilt insbesondere für Schützen mit Berufen, die deutliche Auswirkungen auf die Fingerabdrücke haben.

Ebenso wenig kann ich nachvollziehen, warum man mit "gesalbten" oder in Einmalhandschuhen steckenden (!!) Fingern den Tresor öffnen wollte. Es wird ja wohl einem jeden zuzumuten sein, sich die Hände zu waschen, und wer die Einmalhandschuhe anbehält und sich dann ärgert, dass nichts geht, der gehört entmündigt.

Und der Herr Schäuble war es ganz sicher nicht, der einen Waffenschrank geöffnet hat, in dessen interner Datenbank der Herr Schäuble nicht eingespeichert war...

Insgesamt ist der Text ziemlich wirr und geht trotz inhaltlich nicht falscher Aussagen zu großen Teilen am Thema vorbei.

Trotz dieser Kritik am Text halte ich Fingerabdrücke ebenfalls nicht für ein geeignetes biometrisches Merkmal zur Waffenschranksicherung.

Retina-scans beispielsweise sind deutlich sinnvoller, weil ich nicht auf allem, was ich mir anschaue, einen Abdruck meiner Retina hinterlasse ;)

Für den Privatbereich sind meines Wissens momentan aber nur Fingerabdruckscanner weit verbreitet und zu erschwinglichen Preisen verfügbar.

Einen wesentlichen Sicherheitsgewinn beim Retinascan gegenüber einem elektronischen Zahlenschloss oder auch nur einem sorgfältig verwahrten Schlüssel sehe ich aber nur sehr bedingt.

Gerade das Zahlenschloss kann bei einem gewissen Mindestmaß an Sorgfalt von Seiten des Waffenbesitzers auch die größte "Risikogruppe", nämlich die eigenen Familienmitglieder, relativ sicher am Zugriff hindern, was beim rein mechanischen Schlüssel nicht ganz so leicht ist.

Aber dann sind wir wieder beim Thema gesetzlich verordnetes Mißtrauen gegen die eigene Ehefrau und/oder die eigenen Eltern/Kinder/Geschwister.

Irgendwo sollte man da auch auf dem Teppich bleiben.

Link to comment
Share on other sites

Für den Privatbereich sind meines Wissens momentan aber nur Fingerabdruckscanner weit verbreitet und zu erschwinglichen Preisen verfügbar.

Einspruch euer Boldigkeit!

Im Privaten Bereich gibt es überhaupt keine entsprechend klassifizierten Tresorsysteme mit Fingeradruckscanner. Der Grund dafür ist, dass solche Tresore die Zulassungskriterien nicht erfüllen.

Konkret bedeutet das, wenn man Tresore mit biometrischem Schloss fordert, fordert man eine Verringerung der Sicherheit bei der Aufbewahrung bei gleichzeitig steigenden Kosten!

Es gibt zwar Schlossysteme (für normale Türen!) die entsprechend klassifiziert sind. Die nutzen Biometrie aber immer nur als zusätzlichen Zugangsschutz, beispielsweise neben einem herkömmlichen Schlüssel. Da kostet dann aber alleine das Schloss mehr als ein Tresor.........

Link to comment
Share on other sites

Konkret bedeutet das, wenn man Tresore mit biometrischem Schloss fordert, fordert man eine Verringerung der Sicherheit bei der Aufbewahrung bei gleichzeitig steigenden Kosten!

So ist es. Es geht ja gar nicht um mehr Sicherheit, denn dass von legal besessenen Waffen kein großes Sicherheitsrisiko ausgeht wissen die Politiker. Es geht nur darum, aus ideologischen Gründen die Kosten zu erhöhen und dazu taugen biometrische Systeme perfekt.

Link to comment
Share on other sites

@Alter Herr:

Ich dachte auch mehr an Sachen wie Zugriffskontrolle für PCs u.Ä. ; da gibt es ja eine Handvoll Fingerabdruckscanner.

An anderen biometrischen Sensoren gibt es ja, egal für welche Anwendung, für den Privatmann so gut wie nichts. Jedenfalls nicht in gut und/oder günstig.

Ich hätte daher vermutet, dass es, wenn überhaupt, an biometrisch gesicherten Tresoren nur solche mit Fingerabdruckscanner gibt - aber danke für die Info.

Gestern im Radio sagte einer von der SPD (glaub ich), dass momentan die Variante "biometrischer Schlüsselkasten für die Schlüssel der rein mechanischen Tresore" bevorzugt wird. Jetzt weiß ich auch, warum: Es gibt momentan keine andere Lösung.

Von dem ganzen Biometrie-Unfug ist das noch das am Wenigsten Schlimme, aber Quatsch bleibt letztendlich auch das.

Na ja, meine Schlüssel sind zwar nicht biometrisch, aber immerhin biologisch gesichert.

Die Sicherung verändert ständig ihren Standort mitsamt den Schlüsseln, sammelt Messer und hat einen sehr leichten Schlaf :D

Link to comment
Share on other sites

Create an account or sign in to comment

You need to be a member in order to leave a comment

Create an account

Sign up for a new account in our community. It's easy!

Register a new account

Sign in

Already have an account? Sign in here.

Sign In Now
×
×
  • Create New...

Important Information

Imprint and Terms of Use (in german)