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Die schizophrene Nation


357.mag

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Amerika in seiner unendlichen Weite und Diversität ist bekanntlich auch ein Land krasser Gegensätze. Gegensätze zwischen arm und reich, fortschrittlich und erzkonservativ, Riesenweiten und beengter Überfülltheit sind hinlänglich bekannt.

Schusswaffen sind ein anderes Thema, an dem sich die Geister scheiden. Bekanntlich ist das Recht zum Tragen von Schusswaffen gesetzlich im zweiten Zusatz zur Verfassung (?Second Amendment?) verankert. Dieses Recht, das aus den Zeiten von Überfällen und der Bürgerwehr als einzigem Militär stammt, ist im amerikanischen Selbstbewusstsein und -verständnis als Bestandteil der persönlichen Freiheit fest verankert.

Um diese Situation zu verstehen, muss man die besonderen geschichtlichen Umstände der amerikanischen Gesetzgebung berücksichtigen. Die Grundsteine der amerikanischen Gesetze, einschließlich der Verfassung und deren wichtige Zusätze, wurden zu einer Zeit des Aufruhrs, der Erforschung und Eroberung gelegt. Zu jener Zeit war Selbstverteidigung in verschiedenen Formen natürlich eine Frage des Überlebens. Im Gegensatz zu den länger und dichter besiedelten europäischen Ländern hat sich diese Mentalität und Denkensweise bis in die Gegenwart fortgesetzt.

Heutzutage ist der Wilde Westen natürlich nicht mehr ganz so wild, und der Waffenbesitz außer in gewissen Landstrichen, in denen das Waschbärenjagen noch immer zur Ergänzung der durch überfahrene Tiere dominierten Speisekarte dient, auch nicht mehr eine Überlebensbedingung. In diesem Zuge haben sich die Meinungen zum allgemeinen Waffenbesitz auch stark polarisiert.

Vor allem im mittleren Westen und in ländlichen Gebieten ist der Waffenbesitz noch immer sehr angesagt. Zum einen ist die Jagd sehr populär und auch deutlich weniger gesetzlich geregelt als in Europa, zum anderen ist der ?Sportgebrauch? groß angesagt. Die Definition von Sportgebrauch hängt auch vom Betrachter ab. Ist es vertretbar, daß Einzelpersonen halbautomatische Angriffswaffen zu ?Sportzwecken? besitzt? Diese wurden 1994 von der Clinton-Regierung verboten, jedoch wurde dieses Verbot im Jahr 2004 von der Bush-Regierung trotz heftiger Proteste von Polizisten und Bürgerrechtlern nicht verlängert.

Die Interessen von Sportschützen, Waffenindustrie und allen, die aus unterschiedlichen Gründen am Waffenbesitz interessiert sind, wird von der National Rifle Association (NRA) vertreten. Diese ist, ähnlich wie die kürzlich behandelte AFA, eine erzkonservative und mächtige Interessenvereinigung. Allerdings ist die NRA die größte und mächtigste ?gemeinnützige? Organisation der USA und fest in das politischen Netz verwoben. Sie ist eine starke Kraft in Wahlkämpfen und beeinflusst einen großen Teil der Wählerstimmen, kein konservativer Kandidat kann ohne Unterstützung der NRA gewinnen. Sie hat viele ihr unliebsame Politiker ausgeschalten und hat Einfluss auf tagtägliche Gesetzgebung. Sie bekämpft alle Versuche, Waffenbesitz zu regulieren und ist dabei sehr erfolgreich. Sie verteidigt auch bitter das Recht, halbautomatische Waffen zu besitzen.

Im Kontrast dazu ist die Einstellung zu Waffen in vielen Großstädten und im Nordosten ganz anders. Hier werden Waffen als Mittel der Kriminalität angesehen und der Verkauf und Besitz viel stärker reguliert. Das Problem ist dabei, daß Waffen bequem in Nachbarstaaten eingekauft und dann eingeführt werden können und es keine Kontrollmöglichkeiten gibt. Zum Beispiel werden sehr häufig Waffen in Kriminalitätsfällen in New York und New Jersey gefunden, die in Pennsylvania und Virginia erworben wurden. Sogar der Austausch von Waffendaten zwischen Staaten zur Kriminalitätsbekämpfung wurde von den beschriebenen Interessengemeinschaften erfolgreich bekämpft.

In dieser Situation sind die Betroffenen recht machtlos durch die fehlende Unterstützung auf Bundesebene. Einzelne Aktionen können durchgeführt werden, wie zum Beispiel die gegenwärtigen Klagen der Stadt von New York gegen Waffeneinzelhändler in Nachbarstaaten, aber die bekämpfen das eigentliche Problem nicht. Dieses liegt im politischen Machtkampf grundsätzlich verschiedener Interessen in Amerika.

Ist weitverbreiteter Besitz von halbautomatischen Waffen zu Sportzwecken vertretbar, wenn es gleichzeitig die Verfügbarkeit solcher Waffen zu Kriminalitätszwecken vereinfacht? Ist das Recht des Einzelnen wichtiger als das Gemeinwohl?

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