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WAFFENHANDEL - Englands mächtigster Komiker


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Der britische Comedian Mark Thomas ist eine Nervensäge. Mit seinen offensiven Aktionen hat er sich schon viele Feinde gemacht - und das Parlament ihrer Majestät in Aufruhr versetzt. Eine spektakuläre Aktion gegen Waffenhandel führte jetzt zu ersten Festnahmen.

Kriminell schlechte Komiker gibt es eine Menge, davon können gerade wir Deutschen ein trauriges Lied singen. Dass Komiker aber dafür sorgen, dass Kriminelle vor Gericht landen, ist eher selten - in Großbritannien aber gerade passiert. Und zwar nicht etwa, weil der Polit-Clown Mark Thomas ("Wenn Sie nicht stocksauer sind, haben Sie nicht richtig aufgepasst") Anzeige gegen jemanden erstattet hätte - sondern weil er einen ganzen Parlamentsausschuss in Bewegung gesetzt hat. Mit einer Comedysendung. Irgendwie kann man sich schwer vorstellen, dass den Erkans, Stefans, Atzes und Bullys hierzulande einmal Ähnliches gelingen könnte.

Komiker Thomas, Buch über Waffenhandel: "Mehr getan als das Verteidigungsministerium"

Mark Thomas macht das, was die Briten schon vor vielen Jahren erfunden haben: Confrontational Comedy. Thomas schießt Fußbälle über den Zaun von Downing Street No. 10, filmt Polizisten, die Menschen in der U- Bahn auf Video aufnehmen oder sucht nach Massenvernichtungswaffen - im Buckingham Palace. Thomas ist eine Nervensäge, er provoziert gern und oft - und manchmal kommt dabei tatsächlich etwas heraus.

Anfang des Jahres tat sich der Komiker mit einigen Schulkindern aus Oxford zusammen und gründete mit ihnen ein Unternehmen mit dem Geschäftsmodell "internationaler Waffenhandel". Die Kinder nahmen telefonisch oder über das Internet Kontakt zu Händlern überall auf der Welt auf, holten Preisvorstellungen ein und leiteten Angebote weiter.

CD-Player im Panzer kosten extra

In der Zeitung "New Statesman" zitierte Thomas aus einem Dialog aus den Aktivitäten des "After School Arms Club": "Ich würde gerne mit jemandem über einen Panzer reden", habe die 16-jährige Elli einen osteuropäischen Waffenhändler am Telefon gebeten. "Was für einen Tank?", war die noch etwas unsichere Antwort. "Einen TR-85 M1", antwortete die gut informierte Elli. "Sie möchten einen Preis?" - "Das wäre toll." Einen Monat später, so Thomas, habe man einen Preis von 2,5 Millionen britischen Pfund für den Panzer genannt bekommen (Thomas: "CD-Player und Tassenhalter kosten extra"). Durchgezogen haben die Schüler solche Transaktionen am Ende allerdings nicht.

Thomas' minderjährige Waffenhändler orderten aber beispielsweise Folterinstrumente wie "Daumenschellen" mit Sägezähnen auf der Innenseite, stachelbesetzte Metallruten und Schlagstöcke mit Elektroschock-Funktion. Einige der Waffen - die in Großbritannien verboten sind - konnten nichtsdestotrotz von britischen Webseiten bestellt werden. Thomas selbst besuchte von der Regierung veranstaltete Waffenmessen, bei denen wiederum Waffen angeboten wurden, die im Königreich illegal sind.

"Ich wäre wirklich dankbar", sagte der Labour-Abgeordnete Roger Berry bei einer Parlamentsdebatte zum Thema, "wenn mir der Minister erklären könnte, wie bei solchen Veranstaltungen die Einhaltung der Gesetze überwacht wird." Warum, fragte Berry weiter "brauchte es einen investigativen Journalisten, um einen Rechtsbruch festzustellen?"

"Er hat mehr getan als das Verteidigungsministerium"

Dabei betrachtet Thomas sich gar nicht als Journalist. Dem britischen "Guardian" ist das klar. Im August schrieb ein Kommentator: "Der Stand-Up Comedian hat mehr getan, um illegalen Waffenhandel aufzudecken, als das Verteidigungsministerium, die Export-Kontrollorganisation und die Steuer- und Zollbehörden zusammen."

Der Guardian berichtet weiter, die Regierung habe dann begonnen, Nachforschungen anzustellen - aber nicht bei den betroffenen Firmen, sondern bei dem neugierigen Komiker. In einer vertraulichen E-Mail sei ein Vermerk darüber enthalten gewesen, dass Handelsminister Richard Caborn sich bemühe "Hintergrundmaterial/Dreck über ihn herauszufinden, um ihn niederzumachen". Caborn habe gesagt, man habe ihn "missverstanden". Die Zeitung wirft der Regierung von Tony Blair Doppelzüngigkeit vor - einerseits beschwöre man ständig die Notwendigkeit, den Waffenhandel einzuschränken, andererseits unterstütze man die heimische Rüstungsindustrie in unerhörter Weise beim Abschließen von Millionengeschäften.

Ein Parlamentsausschuss lobte Thomas im August erneut für seine Aufklärungsarbeit - und kritisierte die Regierung massiv: "Die Reaktion der Regierung auf die Herausforderungen des Internet als Plattform für den Waffenhandel ist zu passiv", kritisierten die Abgeordneten, die Rolle, die das Netz "bei der Förderung und Erleichterung" solchen Handels spiele, werde nicht berücksichtigt.

Die Kritik erreichte offenbar ihr Ziel. Gestern wurden im britischen Kent ein 61-Jähriger und ein 40-Jähriger Mann verhaftet, ihre Häuser durchsucht. Die "Times Online" teilte mit, die Verhaftungen seien Teil einer "andauernden Untersuchung des Kaufs und Verkaufs militärischer Waffen über das Internet". Ob Mark Thomas darüber lachen kann, ist unbekannt.

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