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Die Angst vor Pjöngjangs Atom-Basar


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Nach dem nordkoreanischen Atomtest wächst in Washington die Sorge, das kommunistische Steinzeit-Regime könnte sein Nuklear-Know-how zum Exportschlager machen - und womöglich Terroristen zu Atomwaffen verhelfen.

Von Georg Mascolo

Washington - Seit diesem Sonntag ist die Geschichte der Bombe um ein Kapitel reicher. Die Satelliten waren in Stellung, über Nordkorea kreiste ein US-Spezialflugzeug, hochempfindliche Messgeräte sollten jede Spur einer Atomexplosion ausmachen. Indien, Pakistan, selbst die USA und die Sowjetunion hielten ihre ersten Bombentests geheim - aber diesmal bedurfte es keiner Hightech. Diktator Kim Jong Il ließ anrufen, bevor seine Militärs auf den Knopf drückten.

Um 21 Uhr am Sonntagabend erfuhren es die Chinesen, eine dreiviertel Stunde später US-Außenministerin Condoleezza Rice. Punkt 21.58 Uhr war George W. Bush informiert. Als der Berg in der Provinz Hamgyong bebte, wusste das Weiße Haus längst Bescheid. Nur ob der früh zu Bett gehende Präsident eigens geweckt werden musste, will das Weiße Haus nicht sagen.

Solch nuklearer Exhibitionismus ist neu, und die wahre Sorge nach dem Test gilt der Frage, was sich mit dem Auftauchen der neunten Atommacht auf der Weltbühne noch verändern wird. Niemand ist unberechenbarer, kein Nuklearstaat wird von einem schrilleren Diktator beherrscht, der auch noch offen mit der Bombe droht. Offiziell schließt Washington nicht aus, dass der Test nur ein Bluff war, die Explosion war nach Auffassung der US-Experten ungewöhnlich klein. Keine drei Minuten dauerte deshalb am Montag eine erste Erklärung Bushs. Aber es waren Sätze, die aufhorchen ließen.

Nordkorea, so der Präsident, sei einer der führenden Lieferanten für Raketentechnologie. Syrien und Iran, die amerikanischen Gegenspieler in Nahost, langjährige Kunden. Wenn künftig auch Nukleartechnik auf der Exportsliste stehe, so Bush, werde Amerika das als "ernste Bedrohung" betrachten. Und Nordkorea für alle Folgen "voll verantwortlich" machen. Deutlicher ging es nicht.

In New York versammelte sich zur selben Zeit der Uno-Sicherheitsrat, drinnen stand eine lange Liste möglicher Sanktionen zur Debatte, draußen forderte ein selig lächelnder nordkoreanischer Botschafter die Weltgemeinschaft auf, seinem Land zu "gratulieren." Als mögliche Schritte gelten eine Reduzierung der Öl- und Lebensmittellieferungen Chinas und das Abfangen nordkoreanischer Schiffe durch die US-Marine und ihre Verbündeten.

Wie einst Indien und Pakistan wird sich wohl auch Nordkorea durch solchen Druck die Bombe nicht wieder abverhandeln lassen. Umso wichtiger erscheint Amerika daher, jetzt das neue Mitglied im nuklearen Club auf ein paar unumstößliche Regeln zu verpflichten. Und die erste heißt, das nukleare Know-how nicht an jeden gut zahlenden Interessenten weiterzureichen. Ganz oben auf der Liste möglicher Kunden sehen die US-Geheimdienste Iran.

Die US-Regierung traut dem klammen Regime von Diktator Kim Jong Il jede Schandtat zu, zu den Verkaufsschlagern gehören nach Überzeugung westlicher Geheimdienste heute schon Drogen und weiterentwickelte sowjetische Raketentechnik der Marke Scud. Zudem beschuldigt die Bush-Administration Nordkorea, in einer geheimen Druckerei gefälschte 100-Dollar-Noten herzustellen. Vom US-Finanzministerium verhängte Sanktionen gegen das Land gelten Experten als einer der Gründe für das Scheitern der Atomverhandlungen mit Nordkorea.

Bereits kurz vor der Zündung hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld orakelt, nicht der Test, sondern der mögliche Verkauf der Nukleartechnik sei die wirkliche Gefahr. Blaupausen oder gar ganze Bomben für andere Staaten, womöglich gar Terroristen? Bush hält dieses Szenario offenbar für so realistisch, dass er schon 2005 den Nationalen Sicherheitsrat mit einer geheimen Studie beauftragte: Könnte Nordkorea die Rolle des in Pakistan einsitzenden Atomwissenschaftlers Abdul Qadir Khan übernehmen und einen neuen nuklearen Schwarzmarkt etablieren.

Apokalypse nach der Art der US-Regierung? Nein, behaupten US-Diplomaten - einmal habe Nordkorea bei den Sechs-Parteien-Gesprächen in Peking sogar ausdrücklich mit der Weitergabe der Bombe gedroht.

© SPIEGEL ONLINE

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