Waffen aus dem Netz

[357.mag]

Darmstadt - In dem unscheinbaren Einfamilienhaus in Darmstadt wird tagtäglich mit Waffen gehandelt. Rund um die Uhr wechselt alles, was der Waffenfreund begehrt, den Besitzer - vom Messer über Armbrust und Pistole bis hin zur Muskete von 1859. In dem Gebäude hat das Internetauktionshaus Egun für Jagd-, Sport- und Sammlerwaffen seinen Sitz, 203 500 Mitglieder hat das Portal nach eigenen Angaben.

Eines seiner Mitglieder mit dem Pseudonym "ResistantX" ist seit Montag tot. Bei seinem Amoklauf in Emsdetten, bei dem er 37 Menschen verletzte, soll der 18-jährige Bastian B. unter anderem Vorderlader des Typs verwendet haben, die auch bei Egun verkauft werden. Solche Waffen soll er zumindest teilweise bei Online-Versandhäusern und Internetauktionen erworben haben. Mit einer dieser mitgeführten Waffen nahm er sich am Ende selbst das Leben.

Seit März 2003 war Bastian B. offenbar unter seinem Pseudonym als Nutzer angemeldet. Medienberichten zufolge soll er dort wenige Wochen vor seiner Tat neun Einkäufe gemacht haben. Nachzuvollziehen ist das für Außenstehende und Mitglieder nicht mehr - noch am Dienstag waren alle Online-Spuren von Bastian B. gelöscht.

Bei dem Auktionshaus bieten vor allem Händler Waffen an. Bei einer ddp-Umfrage unter mehreren Anbietern versicherten alle, Waffen nur dann zu versenden, wenn alle notwendigen Unterlagen vorlägen. So lässt sich eine Firma aus Wesel Waffenberechtigungen faxen und fragt bei der zuständigen Polizeibehörde nach. Ein Unternehmen aus Nettetal verlangt sogar die Waffenbesitzkarte im Original. Verschickt werden die Waffen dann personenbezogen. Auch private Verkäufer verfahren so.

Doch nicht bei allen Waffen müssen sich die Anbieter derart rückversichern, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Bei Gas- oder Schreckschusspistolen reicht beispielsweise oft ein Nachweis über die Volljährigkeit, auch bei alten Vorderladern - genau solche soll Bastian B. verwendet haben.

Das Auktionshaus trifft wohl keine Schuld. Es tritt nicht als Verkäufer auf, sondern nur als Vermittler zwischen Anbieter und Käufer. Explizit weisen die Betreiber darauf hin, dass keine Artikel angeboten werden dürfen, die gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Waffen, die nach dem Waffengesetz einer Erlaubnis bedürfen, dürften ferner nur unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen angeboten werden. Diese sind im deutschen Waffengesetz geregelt.

Dass trotz des Waffengesetzes jemand eine illegale Waffe anbietet oder eine legale Waffe an Nichtberechtigte verkauft, hält ein Mitglied der Geschäftsführung des Auktionshauses für unwahrscheinlich. Er ist sich sicher, dass die Polizei die Angebote verfolgt und prüft. Denn bei Verstößen gegen das Waffengesetz drohen Geld- oder Freiheitsstrafen.

Auch der Geschäftsführer des Verbandes der Hersteller von Jagd-, Sportwaffen und Munition (JSM), Klaus Gotzen, sieht die Versteigerung von Waffen im Internet unkritisch. Es müssten beim Erwerb die gleichen Berechtigungen nachgewiesen werden wie im Fachgeschäft. Zudem: "Wer illegal an eine Waffe kommen will, hat viele Möglichkeiten, der muss nicht auf das Internet zurückgreifen", glaubt Gotzen. Er sieht in den großen Beständen illegaler Waffen in Osteuropa und dem ehemaligen Jugoslawien eine große Gefahr. Dieses Problem bekomme man auch nicht durch die geforderten schärferen Waffengesetze in den Griff.

Auch aus den USA könnte im Einzelfall eine Person in Deutschland in den Besitz einer Waffe gelangen. Es sei eine Illusion zu glauben, dass jedes Paket durchleuchtet oder geöffnet werde, sagte ein Sprecher des Hauptzollamtes am Frankfurter Flughafen. Dies sei personell gar nicht möglich. Deshalb sei es denkbar, dass ein gefährlicher Gegenstand durch die Kontrolle rutsche. Da es aber sowohl auf amerikanischer als auch auf deutscher Seite Kontrollen gebe, sei die Wahrscheinlichkeit nur gering. (ddp)

Quelle = http://www.ksta.de/html/artikel/1164178988865.shtml