Jump to content

§ 34 Schußwaffengebrauch gegenüber Personen


357.mag

Recommended Posts

1) Schußwaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden,

1. um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die sich den Umständen nach

a) als ein Verbrechen oder

B) als ein Vergehen, das unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Sprengmitteln begangen werden soll oder ausgeführt wird, darstellt,

2. um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie

a) eines Verbrechens dringend verdächtigt ist oder

B) eines Vergehens dringend verdächtigt ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Schußwaffen oder Sprengmittel mitführt,

3. zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, wenn diese in amtlichen Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist

a) wegen eines Verbrechens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder

B) wegen eines Vergehens oder auf Grund des dringenden Verdachts eines Vergehens, wobei zu befürchten ist, daß sie von einer Schußwaffe oder einem Sprengmittel Gebrauch werden werde,

4. um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern oder in sonstigen Fällen des § 100 des Strafvollzugsgesetzes.

(2) Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

(3) Schußwaffen dürfen nach Abs. 1 Nr. 3 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.

(4) Der Schußwaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge ist unzulässig, wenn für den Polizeibediensteten erkennbar ist, daß Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

(5) Unbeteiligte sind nicht Personen in einer Menschenmenge, die Gewalttaten begeht oder durch Handlungen erkennbar billigt oder unterstützt, wenn diese Personen sich aus der Menschenmenge trotz wiederholter Androhung nach § 32 Abs. 4 nicht entfernen.

(6) Das Recht zum Gebrauch von Schußwaffen auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.

1. Bedeutung

Der Gebrauch von Schußwaffen stellt die intensivste Form eines polizeilichen Eingriffs dar. Für den Gebrauch von Schußwaffen gegen Menschen normiert das SächsPolG spezielle Eingriffsvoraussetzungen, die zusätzlich zu den in § 33 SächsPolG normierten allgemeinen Voraussetzungen des Schußwaffengebrauchs erfüllt sein müssen. Schußwaffen dürfen, wie bereits der einleitende Satzteil in Abs. 1 (vor Nr. 1) zeigt, immer nur gegen einzelne Personen eingesetzt werden. Dies wird bestätigt durch Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5, wo vom Schußwaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge gesprochen wird. Daraus folgt, daß beim Vorgehen gegen eine Menschenmenge nicht ungezielt in die Menge geschossen werden darf, sondern immer nur auf bestimmte Personen in der Menge, bei denen die Voraussetzungen für den Schußwaffengebrauch vorliegen[1].

2. Zweck des Schußwaffengebrauchs

Zwecks des Schußwaffengebrauchs darf es grundsätzlich nur sein, den Betroffenen angriffs- bzw. fluchtunfähig zu machen[2]. Dies ist im SächsPolG zwar im Gegensatz zu anderen Polizeigesetzen nicht ausdrücklich bestimmt[3], ergibt sich aber aus dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs nach § 3 Abs. 2 SächsPolG. Der Schußwaffengebrauch muß, soweit es die Umstände zulassen, so eingerichtet werden, daß der Eingriff in die körperliche Integrität möglichst gering bleibt. So darf z. B. bei einem fliehenden Straftäter grundsätzlich nur auf die Beine gezielt werden. Dagegen dürfen zur Verhinderung einer Straftat auch schwere Verletzungen in Kauf genommen werden. Ein gezielt tödlicher Schuß ist nur unter den engen Voraussetzungen des Abs. 2 zulässig[4].

3. Verhinderung von Straftaten (Abs. 1 Nr. 1)

a) Nach Abs. 1 Nr. 1 ist der Schußwaffengebrauch nur zulässig zur Verhinderung schwerer Straftaten, d.h. bei rechtswidriger (nicht notwendigerweise schuldhafter) Taten, die sich nach den Umständen, also nach den im betreffenden Zeitpunkt für die Polizeibediensteten erkennbaren äußeren Tatbestandsmerkmalen, als Verbrechen oder als Vergehen unter erschwerten Umständen darstellen. Verbrechen sind nach § 12 Abs. 1 StGB Straftaten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind, Vergehen sind nach § 12 Abs. 2 StGB Straftaten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht sind[5]. Bei Vergehen muß nach Nr. 1b hinzu kommen, daß sie unter Anwendung oder Mitführung von Schußwaffen oder Sprengmitteln (§ 31 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG) ausführt werden oder werden sollen. Andere Waffen oder sonstige gefährliche Gegenstände reichen nicht aus. Bei Schußwaffen und Sprengmitteln reicht das bloße Mitführen aus; nicht erforderlich ist, daß die Absicht des Täters erkennbar wird, sie bei der Begehung der Tat notfalls auch einzusetzen. Vergehen, bei denen die zusätzliche Voraussetzung nach Nr. 1b nicht vorliegt, dürfen nicht durch den Einsatz von Schußwaffen gegen Personen verhindert werden[6].

B) Die Tat muß im Zeitpunkt des Schußwaffengebrauchs entweder unmittelbar bevorstehen oder fortgesetzt werden. Ersteres ist der Fall, wenn die Begehung der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort oder in allernächster Zeit zu erwarten ist, falls nicht eingeschritten wird[7].

4. Sicherung des staatlichen Strafanspruchs (Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 3)

a) In den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 und 3 dient der Schußwaffengebrauch der Sicherung des staatlichen Strafanspruchs, also der Strafverfolgung, wobei allerdings in Nr. 2b und Nr. 3b (Mitführen bzw. zu befürchtendes Gebrauchmachen von Schußwaffen oder Sprengmitteln) Elemente der polizeilichen Gefahrenabwehr hinzu kommen.

B) Schußwaffen dürfen nach Nr. 2 gegen mutmaßliche Straftätern gebraucht werden, wenn diese angehalten werden sollen, weil sie sich der Festnahme, insbesondere der vorläufigen Festnahme nach § 127 StPO oder der Verhaftung auf Grund eines Haftbefehls nach §§ 112ff. StPO, oder der Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versuchen und die Flucht nicht auf andere Weise verhindert werden kann. Voraussetzung ist, daß ein dringender Tatverdacht (entsprechend der Voraussetzung für die Untersuchungshaft nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) besteht. Zur Zeit des Geschehens muß die Polizei angesichts der Umstände vernünftigerweise annehmen dürfen, daß sie vor der Schußwaffe Gebrauch machen muß, um das Anhalten des Anhaltens der Person zu erreichen[8]. Bei der letzten Alternative von Abs. 1 Nr. 2 müssen darüber hinaus Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß der Verdächtige im Zeitpunkt des Schußwaffengebrauchs seinerseits Schußwaffen oder Sprengmittel mitführt. Nicht erforderlich ist, daß der Verdächtige auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird.

c) Nr. 3 läßt den Schußwaffengebrauch zur Sicherung oder Begründung des amtlich angeordneten Gewahrsams bei Straftätern in bestimmten Fällen zu, wenn diese sich dem bereits bestehenden Gewahrsam oder Zuführung zum Gewahrsam durch Flucht zu entziehen versuchen und die Vereitelung der Flucht auf andere Weise nicht möglich ist. Amtlicher Gewahrsam ist nur die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung, insbesondere der Strafvollzug, die Untersuchungshaft und die vorläufige Festnahme. Der polizeiliche Gewahrsam nach § 22 SächsPolG kommt in den Fällen der Nr. 3 nicht in Betracht. Wie bei Nr. 2 muß es sich um Verbrechen oder Vergehen handeln, wobei im letzteren Falle ? anders als nach Nr. 2b ? das Mitführen von Schußwaffen oder Sprengmitteln nicht ausreicht, sondern die Befürchtung gerechtfertigt sein muß, daß davon Gebrauch gemacht wird. Andererseits brauchen im Gegensatz zu Nr. 2b keine Tatsachen vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen, sondern es genügt, daß der Gebrauch ?zu befürchten ist?, z.B. weil sich der Täter bereits früher einmal den Fluchtweg frei geschossen hat.

d) § 34 Abs. 3 SächsPolG schließt den Schußwaffengebrauch nach Abs. 1 Nr. 3 für die Fälle des Vollzugs des Jugendarrestes und des Strafarrestes sowie der Verhinderung der Flucht aus einer offenen Anstalt aus. In diesen Fällen bewertet das Gesetz das öffentliche Interesse an der Sicherung bzw. Begründung des amtlichen Gewahrsams geringer als das Interesse der Betroffenen am Schutz ihrer körperlichen Integrität. Die Einschränkung bezieht sich nicht auf den Schußwaffengebrauch nach anderen Vorschriften, z.B. nach Abs. 1 Nr. 1 oder 4.

5. Verhinderung gewaltsamer Befreiung (Abs. 1 Nr. 4)

a) Abs. 1 Nr. 4 läßt den Schußwaffengebrauch zur Verhinderung der gewaltsamen Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu. Amtlicher Gewahrsam i.S. der Nr. 4 ist jegliche Form der gesetzlich zugelassenen Freiheitsentziehung, also neben der Freiheitsentziehung zum Zwecke der Strafverfolgung und Strafvollstreckung z.B. auch die Haft nach dem ZPO, die Zwangshaft nach dem SächsVwVG, die Erzwingungshaft nach dem OWiG und der Gewahrsam nach § 22 SächsPolG. Der Schußwaffengebrauch kann sich auch gegen die in Gewahrsam befindliche Person selbst richten, wenn diese an der gewaltsamen Befreiung aktiv teilnimmt.

B) Abs. 1 Nr. 4 läßt den Schußwaffengebrauch ferner in den sonstigen Fällen des § 100 des Strafvollzugsgesetzes zu, d. h. gegen Gefangene, die eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen oder die eine Meuterei (§ 121 StGB) unternehmen, und gegen andere Personen, die gewaltsam in eine Anstalt einzudringen versuchen.

6. Finaler Rettungsschuß (Abs. 2)

a) § 34 Abs. 2 SächsPolG regelt die Voraussetzungen, unter denen die Polizei im Rahmen des Schußwaffengebrauchs gegen Personen einem gezielt tödlichen Schuß abgeben darf, um schwerste Gewaltverbrechen zu verhindern, z.B. um eine Geisel aus der Gewalt eines bewaffneten Straftäters zu befreien. Mehrere schwere Gewaltverbrechen mit tödlichem Ausgang für Geiseln haben gezeigt, daß in bestimmten Situationen eine Rettung nur möglich ist, wenn durch eine gezielte Tötung die sofortige Handlungsunfähigkeit des Täters herbeigeführt wird. Die Bedeutung dieser Vorschrift, die auf den MEPolG zurückgeht, besteht darin, daß sie eine hoheitsrechtliche Eingriffsermächtigung enthält, während bisher ein gezielt tödlicher Schuß nur auf die strafrechtlichen und zivilrechtlichen Vorschriften über Notwehr und Nothilfe gestützt werden konnte. Die Regelung wurde aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber den eingesetzten Polizeibediensteten, aber auch aus Gründen der Rechtssicherheit getroffen[9]. Im Zusammenhang mit der Einfügung des § 34 Abs. 2 SächsPolG wurde in § 79 Nr. 1 SächsPolG neben dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auch das Grundrecht auf Leben als einschränkbares Grundrecht aufgeführt, um dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG und des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 SV Rechnung zu tragen.

B) Abs. 2 beschränkt den gezielt tödlichen Schuß auf diejenigen Fälle, in denen er das einzige Mittel zur Rettung des Bedrohten aus einer extremen Gefährdungssituation ist. Kommen andere Erfolg versprechende und rechtlich zulässige Mittel in Betracht, so müssen diese eingesetzt werden. Ein gezielt tödlicher Schuß ist dann unzulässig. Dazu kann z.B. auch das Eingehen auf Forderungen des Täters gehören, wenn dadurch die Gefahrensituation für die bedrohte Person beseitigt wird.

c) Der gezielt tödliche Schuß ist nur zum Schutz höchster Rechtsgüter, nämlich des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der bedrohten Person zulässig. Zum Schutz anderer Rechtsgüter, z.B. bedeutender Kulturgüter oder anderer hoher Sachwerte, ist ein gezielt tödlicher Schuß nicht zulässig, auch wenn er das einzige Mittel wäre, um deren Zerstörung zu verhindern. Zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit ist er nur zulässig, wenn deren schwerwiegende Verletzung droht, was z.B. in den Fällen der schweren Körperverletzung (§ 224 StGB) stets zu bejahen ist[10], aber auch in anderen Fällen gegeben sein kann, z.B. bei Gefahr einer schweren psychischen Schädigung. Ist erkennbar, daß durch den gezielten tödlichen Schuß Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würde, so ist er nach § 33 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG und § 34 Abs. 4 Satz 2 SächsPolG nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr zulässig, nicht aber zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit.

d) Die Gefahr für die genannten Rechtsgüter muß gegenwärtig sein[11], d. h. der Eintritt des Schadens muß mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort oder in allernächster Zeit zu erwarten sein, falls nicht eingeschritten wird. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Vornahme der lebens- bzw. gesundheitsbedrohenden Handlung durch den Täter, nicht auf den Eintritt des Todes bzw. der schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit an. Dies ist z.B. dann von Bedeutung, wenn der Täter damit droht, das Opfer mit einer schweren Krankheit zu infizieren, die erst nach längerer Zeit zum Tode oder zur Zerstörung der Gesundheit führt.

e) Abs. 2 ist nur anwendbar, wenn ein Schuß tödlich wirken soll oder nach den Umständen des konkreten Falles mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird. Führt dagegen ein Schußwaffengebrauch zum Tod eines Menschen, ohne daß dies beabsichtigt oder als nahezu sicher zu erwarten war, so bestimmt sich die Zulässigkeit des Schußwaffengebrauchs nach den allgemeinen Vorschriften, ohne daß die besonderen Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt zu sein brauchen.

7. Gefährdung Unbeteiligter (Abs. 4 und 5)

a) Abs. 4 wiederholt für den Gebrauch von Schußwaffen gegen Personen in einer Menschenmenge das in § 33 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG enthaltene grundsätzliche Verbot der Gefährdung Unbeteiligter. Ein Grund für diese Wiederholung ist nicht ersichtlich, da § 33 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG ohnehin anwendbar wäre. Abs. 4 Satz 2 stimmt wörtlich mit § 33 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG überein. Danach ist der Gebrauch der Schußwaffe auch bei einer möglichen Gefährdung von Unbeteiligten zulässig, wenn es das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

B) Abs. 5 schränkt den Begriff des Unbeteiligten für den Fall des Vorgehens gegen eine Menschenmenge ein. Der Grund dafür sind die besonderen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die von gewalttätigen Menschenmengen ausgehen. Gewaltsam sind Straftaten gegen Personen oder gegen bedeutende Sachwerte, die unter Anwendung von Gewalt begangen werden und zu schwer wiegenden Personen- oder Sachschäden führen können; geringfügige Körperverletzungen oder leichte Sachbeschädigungen reichen nicht aus. Die Gewalttaten müssen entweder von der Menschenmenge begangen oder von ihr durch Handlungen erkennbar gebilligt oder unterstützt werden. Dies setzt nicht voraus, daß alle in der Menge befindlichen Personen an den Gewalttaten teilnehmen; es genügt, wenn sich ein nicht unerheblicher Teil daran beteiligt. Die Billigung kann z.B. in anfeuernden Zurufen oder Sprechchören zum Ausdruck kommen, die Unterstützung in einem Verdecken oder in einem Abschirmen gegen den polizeilichen Zugriff.

c) Weitere Voraussetzung dafür, daß Personen nicht mehr als Unbeteiligte anzusehen sind, ist nach Abs. 5, daß eine wiederholte Androhung des Schußwaffengebrauchs nach § 32 Abs. 4 SächsPolG erfolgt ist und die Personen sich nicht aus der gewalttätigen Menschenmenge entfernt haben, obwohl die Möglichkeit dazu bestand.

d) Letzteres ist in Abs. 5 nicht ausdrücklich erwähnt, bildet aber eine selbstverständliche Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift. Die Polizei muß daher den konkreten Einsatz so gestalten, daß für Unbeteiligte die Möglichkeit besteht, sich aus der gewalttätigen Menschenmenge zu entfernen. Da die sog. Sympathisanten, die sich unter den Voraussetzungen des Abs. 5 nicht aus einer gewalttätigen Menschenmenge entfernen, nicht als Unbeteiligte anzusehen sind, schließt ihre Gefährdung nach Abs. 4 den Schußwaffengebrauch gegen die eigentlichen Gewalttäter nicht aus.

8. Notrechtvorbehalt (Abs. 6)

a) § 34 Abs. 6 SächsPolG stellt klar, daß die Regelung des polizeilichen Schußwaffengebrauchs im SächsPolG das Recht der Polizeibediensteten zum Gebrauch von Schußwaffen auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften unberührt läßt. Diese Klarstellung gilt, obwohl sie in § 34 SächsPolG enthalten ist, nicht für den Schußwaffengebrauch gegenüber Personen, sondern für alle Fälle des Schußwaffengebrauchs. Als gesetzliche Vorschriften kommen vor allem die strafrechtlichen (§§ 32, 34 und 35 StGB) und zivilrechtlichen (§§ 227, 228 BGB) Vorschriften über Notwehr einschließlich Nothilfe und über Notstand in Betracht. Diese Notrechte, die für jedermann gelten (sog. Jedermann-Rechte), stehen auch den Polizeibediensteten in Ausübung ihres Dienstes zu. Demnach kann ein Polizeibediensteter von seiner Schußwaffe Gebrauch machen, wenn zwar die Voraussetzungen des § 34 SächsPolG nicht erfüllt sind, aber die strafrechtlichen Voraussetzungen der Notwehr oder Nothilfe gegeben sind. Dies kann z.B. bei der Abwehr einer Körperverletzung der Fall sein, die die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1b nicht erfüllt.

B) Die erwähnten Notrechte führen, wenn ihre Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, zu einer zivil- und strafrechtlichen Rechtfertigung des handelnden Polizeibediensteten. Sie stellen jedoch keine hoheitsrechtliche Eingriffsermächtigung dar. Der Schußwaffengebrauch bleibt (polizei-)rechtswidrig[12].

Link to comment
Share on other sites

Create an account or sign in to comment

You need to be a member in order to leave a comment

Create an account

Sign up for a new account in our community. It's easy!

Register a new account

Sign in

Already have an account? Sign in here.

Sign In Now
×
×
  • Create New...

Important Information

Imprint and Terms of Use (in german)