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Die Debatte über die Waffengesetze in den USA tobt


357.mag

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Die Debatte über die Waffengesetze in den USA tobt. Waffenfreunde verweisen auf die amerikanische Verfassung, da sei das Recht verbrieft, Waffen zu tragen. Die Gegner bestreiten das vehement, sie interpretieren den entsprechenden Verfassungszusatz anders.

Der 24 September 2001 ist ein lauer Sommerabend. Kenneth Barnes Junior sitzt vor seiner Kleiderboutique in Washingtons U-Street-Bezirk auf der Treppe und plaudert mit Leuten aus der Nachbarschaft. Ein 17-Jähriger ist mit dabei. Der zieht plötzlich eine Waffe und tötet Kenneth Barnes mit einem Schuss ins Gesicht. Der Vater des Mordopfers hat nach dem Tod seines Sohnes eine Kampagne gestartet: "Waffen weg". Kenny Barnes senior sagt: Die strengen Waffengesetze in Washington müssen bleiben:

""In Washington DC nehmen die Waffen überhand, zweifellos. Und während wir versuchen dagegen etwas zu tun: Warum sollten wir dann ausgerechnet mehr Waffen zulassen?"

Weil sich Bürger damit schützen können, sagt Tom Palmer und schildert sein persönliches Erlebnis: Er spaziert vor Jahren mit seinem Freund durch San Jose, Kalifornien. Mitglieder einer Straßengang machen die beiden wegen ihrer offensichtlichen Homosexualität an: Wir killen euch, drohen sie, keiner wird jemals eure Körper finden. Tom Palmer trägt eine Waffe:

"Ich habe eine Neun-Millimeter Waffe gezogen, auf sie gezielt und gesagt:' Keinen Schritt näher. Wenn ihr näher kommt, schieße ich. Geht zurück, einfach in die entgegengesetzte Richtung.' Das haben sie gemacht."

Seitdem ist Tom Palmer davon überzeugt: Waffen schrecken ab. Er und Kenny Barnes, der Vater des ermordeten Boutique-Besitzers, kennen einander nur aus den Medien. Barnes und seine "Waffen weg"-Kampagne will etwas ganz anderes als Tom Palmer. Palmer will Schutz. Einen Schutz, den die Polizei nach seiner Ansicht nach nicht bieten kann:

"Wenn jemand in Dein Haus einbricht: Willst Du dann eine Pistole oder ein Telefon haben? Natürlich kann man die Polizei rufen, die kommen auch irgendwann. Und können dann nur noch ein Foto von Deiner Leiche machen."

Kenny Barnes schnaubt bei diesem Argument. Das ist eine Illusion, sagt er und erinnert an die Situation, als sein Sohn durch den Schuss eines 17-Jährigen starb:

"Mein Sohn kannte den jungen Mann. Sie haben sich unterhalten. Plötzlich steht der Junge auf, zieht eine Waffe und sagt zu meinem Sohn: 'Weißt Du wie spät es ist?' Mein Sohn antwortet: 'Bist Du bekloppt, nimm die Knarre weg.' Und er schießt ihm ins Gesicht. Wissen Sie: Mein Sohn hätte ein gottverdammtes Maschinengewehr haben können - und was hätte es geholfen?"

Die Argumentation ist typisch für die erbitterte Debatte über Waffenkontroll-Gesetze in den USA. Die Befürworter strengerer Kontrollen sagen: 2005 sind fast 17.000 Menschen in den USA ermordet worden, zwei Drittel davon mit Schusswaffen. Deswegen brauchen wir mehr Waffenkontroll-Gesetze. Auch Kenny Barnes sagt, das Selbstverteidigungsargument zieht in Washington nicht:

"In Washington DC sieht es in 99,5 Prozent der Tötungsdelikte mit Waffen so aus: Schwarze bringen Schwarze um. Das hat nichts zu tun mit Einbrüchen in Häuser."

Barnes meint: Wenn die strengen Waffengesetze in Washington DC endgültig fallen, dann ist das ein falsches Signal.

"Mein Gott, was für ein Signal senden wir denn nach Deutschland oder in die ganze Welt, wenn es Bürgern in Washington erlaubt wird. Waffen zu tragen? Das ist nicht der wilde, wilde Westen hier. Das ist die Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika."

Das beeindruckt Tom Palmer nicht. Ja, sagt er, es stimmt, dass vor allem Schwarze Schwarze umbringen. Ja, sagt er, es stimmt, dass diese Verbrechen mit Bandenkriminalität und Rauschgifthandel zu tun haben. Aber aus seiner Sicht ist das kein Argument gegen das Recht unbescholtener Bürger, ein Waffe zur Selbstverteidigung zu Hause zu haben. Kriminelle halten sich nicht an Gesetze:

"Diese Leute stecken doch schon in kriminellen Zusammenhängen. Und je stärker unsere Drogengesetze von der Polizei angewandt werden, desto mehr Gewalt entsteht, weil dadurch der Wert der Drogen steigt. Aber das löst man nicht durch Waffenkontrolle."

Mord-Waffen sind in aller Regel illegal, sagt Palmer. Unsere Drogengesetze sind hochgradig irrational und wirken nicht. Nur: Sinkt die Kriminalität wenn wir gesetzestreuen Bürgern das Waffentragen verbieten? Tom Palmers Analyse: Obwohl Schusswaffen in Washington DC seit mehr als 30 Jahren verboten sind, wird weiter gemordet mit illegal erworbenen Waffen. Das Gesetz greift nicht, die Angst wächst. Menschen, die unter staatlichere Regulierung eine Waffe tragen dürfen, so wie in 38 Bundesstaaten der USA - diese Menschen seien keineswegs diejenigen, die Tötungsdelikte begehen. Wer die Erlaubnis beantragt ein Waffe tragen zu dürfen, muss sich durchleuchten lassen:

"Man muss seine Fingerabdrücke nehmen lassen, sich fotografieren und ein polizeiliches Führungszeugnis machen lassen. Keine Straftaten, keine Geisteskrankheiten und so weiter."

Graue Theorie, sagen die Gegner: Und wer überprüft das, wenn die Erlaubnis einmal ausgestellt wurde? Wie viele Waffen landen auf dem Schwarzen Markt, offiziell als verloren gemeldet? Und wo sind die Statistiken die belegen, dass die Abschreckung tatsächlich funktioniert? Kenny Barnes sagt: Ein drogensüchtiger Einbrecher überlegt nicht, ob der Hausbesitzer eventuell eine Waffe haben könnte. Er bricht ein, weil er dringend Geld für seinen Stoff braucht.

Es steckt viel Emotion in dieser Debatte, viel Halsstarrigkeit und viel kreativer Umgang mit Statistiken, je nachdem, was bewiesen werden soll. Kenny Barnes sagt am Ende unseres Interviews:

"Das ist wie bei der Debatte über die Abtreibung: entweder für Waffenbesitz oder dagegen. Dabei geht eins verloren, dass sich Menschen gegenseitig umbringen."

Da endlich treffen sich die Argumentationen von Kenny Barnes und Tom Palmer: Die alltäglichen Feuergefechte im Drogemilieu von Washington DC sind das Symptom für einen grundlegenden Missstand. Und diesen Missstand sollte man engagiert anpacken. Waffengesetze hin oder her.

http://www.dradio.de

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