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Kein Präsident ohne der NRA


Sergeant-Miller

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Der amerikanische Präsidentschaftsanwärter Giuliani buhlt neuerdings um die Unterstützung der Waffen-Lobby, mit der er sich früher heftig angelegt hatte. Das erweist sich als delikates Manöver.

A. R. Washington, 23. September

Über dem Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber in den USA herrscht dicker Nebel. Wer wird sich im nächsten Halbjahr in der Grand Old Party als offizieller Kandidat für die Nachfolge Präsident Bushs durchsetzen? Anders als bei den Demokraten, wo Hillary Clinton als Spitzenreiterin hervorsticht, ist bei den Republikanern kein klarer Favorit auszumachen.

In einer neuen Meinungsumfrage liegt der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani mit 30 Prozent vorne, vor Schauspieler Fred Thompson mit 22 Prozent und dem wieder etwas erstarkten Senator John McCain mit 18 Prozent. Aber solche nationalen Umfragen sind wenig aussagekräftig, weil die Entscheidung nicht auf nationaler Ebene, sondern in einer Serie von gliedstaatlichen Vorwahlen fallen wird. In den wichtigen frühen Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire beispielsweise liegt Giuliani hinter dem Ex-Gouverneur Mitt Romney zurück, der in den nationalen Umfragen nur auf Platz 4 kommt.

Ein begehrtes Stimmenreservoir

Giuliani hat die Nomination seiner Partei deshalb noch keineswegs in der Tasche. Im religiös-konservativen Parteiflügel stösst er auf Vorbehalte. Er zehrt vor allem von seinem Image als «Amerikas Bürgermeister» ? vielen Leuten imponierte sein souveränes Auftreten nach der Terrorattacke vom September 2001. Ein etwas dürftiges taktisches Argument lautet, dass der moderate Giuliani von allen Republikanern am ehesten in der Lage sein werde, das Weisse Haus gegen die Demokraten zu verteidigen. Aber um die Nomination zu erhalten, muss «Rudy» zuerst die Unterstützung weiterer Kreise in seiner Partei gewinnen oder zumindest Antipathien abbauen.

Das ist eine mühselige Plackerei, wie Giuliani Ende letzter Woche erfahren musste. Er trat an einem Kongress der National Rifle Association (NRA) auf, der Vereinigung von Waffen-Liebhabern, die viele Experten für die mächtigste Lobby-Gruppe in den USA halten. Die NRA verteidigt das Recht auf den freien Erwerb und Besitz von Schusswaffen, wie es ihrer Ansicht nach in der Verfassung klar verankert ist. Ihre 4,3 Millionen Mitglieder, oft Republikaner, sind für jeden Präsidentschaftsbewerber ein begehrtes Zielpublikum. Zugleich ist die NRA eine gefürchtete Organisation, weil sie mit ihren Negativ-Kampagnen schon manche Kandidatur zum Scheitern gebracht hat.

In amerikanischen Wahlkämpfen gehört es deshalb zum guten Ton, sich als Waffennarr zu präsentieren, möglichst im Tarnanzug auf der Pirsch. Das wirkt oft etwas billig, und der Schuss geht manchmal nach hinten hinaus. Romney blamierte sich im April fürchterlich, als er sich brüstete, er sei so ziemlich sein ganzes Leben lang ein Jäger gewesen. Denn später musste er zugeben, dass sich seine Erfahrung auf die Kaninchenjagd als Jugendlicher und auf einen letztjährigen Jagdausflug mit anderen Politikern beschränkte.

Wie der Bostoner Romney, der sich mit Finanzhaien und Baulöwen besser auskennt als mit Rotwild, kommt auch Giuliani für die NRA-Basis aus einer fremden Welt ? und nicht nur deshalb, weil man in den Strassenschluchten New Yorks selten Gelegenheit zur Hochwildjagd hat. Giuliani hat die NRA einst mit Extremisten verglichen und ihre Opposition gegen ein Verbot halbautomatischer Waffen scharf kritisiert. Er sprach damals als Bürgermeister, für den die Verbrechensbekämpfung Priorität hatte. Im Jahr 2000 reichte er sogar eine Klage gegen die Schusswaffenindustrie ein, die, wie er sagte, «Profit aus dem Leiden unschuldiger Menschen» ziehe.

Präsident Reagan als Bezugspunkt

Vor diesem Hintergrund war nur schon bemerkenswert, dass sich Giuliani überhaupt an den NRA-Kongress wagte. Ein flauer Witz zu Beginn seiner Rede vermochte das Eis nicht zu brechen. Das Publikum blieb unterkühlt. Später nahm Giuliani einen weiteren gequälten Anlauf: «Es gibt keinen Kandidaten, mit dem man hundertprozentig einig ist. Ich selber bin mit mir wahrscheinlich nicht hundertprozentig einig.» Geeint seien er und die NRA dagegen im Einsatz für ein starkes Amerika. Wie beiläufig flocht Giuliani ein, er habe einst für Präsident Reagan gearbeitet ? vom Licht dieses Fixsterns am Parteihimmel lässt sich jeder Republikaner gern bescheinen. Dann pries er seine Erfolge bei der Bekämpfung der Gewaltkriminalität in New York.

Mitten in seinem Plädoyer klingelte Giulianis Mobiltelefon. Er zog es hervor und erklärte, es sei seine Frau. «Hallo Liebling, ich rede gerade mit den Mitgliedern der NRA.» Dann: «Ich liebe dich und rufe dich nachher gleich zurück.» Rührend und offensichtlich ein Beweis, dass Giuliani nach zwei gescheiterten Ehen endlich ein fürsorglicher Gatte geworden ist. Dem Publikum schien das Ganze jedoch reichlich bizarr vorzukommen.

Politischer Rückzieher

In der Sache versuchte sich Giuliani der NRA so gut wie möglich anzunähern. Das Recht auf Waffentragen sei wichtig wie jedes andere Freiheitsrecht, erklärte er, ohne auf die Frage einzugehen, wie dieses Recht auszulegen sei. Einen Rückzieher machte Giuliani, indem er sich gegen eine Verschärfung der Waffengesetze aussprach. Fast zerknirscht erklärte er zudem, dass er seine damalige Klage gegen die Waffenindustrie als Richter heute wohl ebenfalls ablehnen würde. Die NRA-Delegierten ehrten Giuliani zum Schluss mit einer zaghaften, aber trotzdem stehenden Ovation. Für den New Yorker wäre es nur schon ein Erfolg, wenn die Organisation ihn in den kommenden Monaten nicht aktiv bekämpfen würde.

http://www.nzz.ch

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Sergeant, als alter Ossi (DDR-Bürger) sag ich Dir eins: paßt bei diesen Wendehälsen auf, die nach dem Motto Stimmen fangen. "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?"

Das war bei uns genau so. Mittlerweile haben sich das hier in D alle, und wenn ich alle sag, mein ich es auch so, Parteien angewöhnt. Nicht eine, die mal ihre Wahlversprechen hielt.

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