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Politische Anscheinswaffe


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Der Bundestag hat das Waffenrecht verschärft, unter anderem um die Gewalt von Jugendlichen einzudämmen. Aktionismus und ein Deckmäntelchen nennen es Kritiker.

Von Kai Biermann

Oft geht es bei der Verschärfung von Gesetzen nicht nur darum, Lücken zu schließen. Häufig wird auf diese Weise versucht, Probleme zu kaschieren, deren Lösung sehr viel mehr Aufwand erforderte, als die Einführung neuer Paragrafen. Die am Freitag im Bundestag beschlossene Änderung des Waffengesetzes gehört in diese Kategorie. Einige Regeln sind sinnvoll, andere lediglich Potemkinsche Dörfer.

Die FDP hielt die Reform für völlig ungeeignet, um die Sicherheit zu erhöhen. Legal erworbene und angemeldete Waffen spielten in der Kriminalitätsstatistik keine Rolle, sagte der Innenexperte der FDP-Fraktion, Hartfrid Wolff. Illegale Waffen aber würden mit der Novelle nicht erreicht. Das Herumdoktern am Waffengesetz sei purer Aktionismus. Beschlossen wurde es doch, alle anderen Fraktionen waren dafür.

Was ändert sich also? Erben können Waffen ihrer Vorfahren nicht mehr einfach behalten. Bislang wurden geerbte Waffen bei der Polizei registriert und alles war erledigt. Nun müssen auch Erben nachweisen, dass sie Opas Waffe für Sport oder Jagd brauchen, und dass sie fähig sind, damit umzugehen ? Zuverlässigkeit und sogenannte Sachkunde werden wie bei allen anderen Waffenbesitzern nun auch bei ihnen geprüft. Haben sie beides nicht, müssen die Waffen mechanisch unbrauchbar gemacht oder abgegeben werden. Einhellig gilt das als sinnvolle Regelung, um eine Lücke im Gesetz zu schließen.

Zweite wichtige Neuerung: Anscheinswaffen dürfen nicht mehr in der Öffentlichkeit getragen werden. So werden vor allem Spielzeuge bezeichnet, die täuschend echt wie Kriegswaffen aussehen, dass beispielsweise ein Polizist oder ein Bankbeamter, der damit bedroht wird, sie nicht von einer echten unterscheiden kann. Unter Anscheinswaffen versteht man aber auch Fantasy-Kriegswaffen, die von Größe und Form her wirken wie beispielsweise ein echtes Maschinengewehr. Ausschlaggebend sei der "martialische Look".

Da der Gebrauch von Gaspistolen schon in der letzten Gesetzesnovelle 2002 stark eingeschränkt wurde, nahm der Gesetzgeber jetzt vor allem sogenannte Softairwaffen ins Visier. Mit Luftdruck oder Kohlendioxid verschießen sie kleine Plastikkugeln und sind als martialische Spielzeuge gedacht. Im eigenen Garten kann damit noch immer rumgeballert werden, auf der Straße aber droht nun ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.

Einhellig die Meinung auch hier ? es bringe mehr Sicherheit. Viele gefährliche Situationen hätten sich vermeiden lassen können, sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, wäre dies schon eher passiert. Doch nutzte er die Chance auch für die übliche Kritik: Freiberg warnte davor, zu glauben, dass sich der offensichtlich vorhandene Reiz, ein Schusswaffenimitat mit sich herumzutragen, per Gesetz verleiden lasse. "Nur mit einer entsprechenden polizeilichen Präsenz in der Öffentlichkeit sind solche Gesetze überhaupt umzusetzen." Die erschreckende Ausdünnung bei der Polizei aber werde wohl eher zu einem weiteren Vollzugsdefizit führen, sagte er.

Gleichzeitig werden diese Waffen paradoxer Weise etwas gefährlicher. Bisher durften die Plastikkugeln nur mit einer Bewegungsenergie von 0,08 Joule den Lauf verlassen. Nun musste das Gesetz aber an das europäische Spielzeugrecht angepasst werden, welches mit 0,5 Joule mehr Schusskraft zulässt. Das ist immer noch erheblich weniger als die Mündungsenergie von Luftdruckwaffen, die 7,5 Joule haben dürfen, kann aber schon heftig wehtun.

Verboten werden des weiteren, sogenannte Air-Taser. Das meint Elektroschocker, die an Drähten hängende Pfeile verschießen und über mehrere Meter Distanz wirksam sind. Dadurch gebe es eine geringere Hemmschwelle, sie einzusetzen, so das Innenministerium in den Erläuterungen des Gesetzes.

Ebenfalls wichtig aber weitaus weniger sinnvoll: Einhandmesser und Messer mit stehenden Klingen von mehr als zwölf Zentimetern Länge sollten künftig besser zu Hause bleiben. Man darf sie noch kaufen und besitzen, das Tragen in der Öffentlichkeit aber ist nun verboten. Bisher lag die erlaubte Klingenlänge bei fünfzehn Zentimetern und für Einhandmesser gab es keine Regel, sie galten schlicht als Taschenmesser. Bei ihnen macht es ein Knubbel an der Klinge möglich, sie mit dem Daumen auszuklappen, bis die Klinge einrastet und fest steht. Solche Messer sind vergleichsweise neu und tauchten verstärkt auf, als 2003 Spring-, Fall- und Butterflymesser verboten wurden.

Genau deswegen will der Gesetzgeber sie nun auch von den Straßen haben, zumindest wenn ihre Klappklinge länger als 8,5 Zentimeter ist. Bei Bundeskriminalamt und Bundesregierung gab es erhebliche Bedenken, dass dies sinnvoll ist. Einerseits sind besonders gefährliche Messer wie die oben genannten längst verboten. Andererseits glaubt kaum ein Experte, dass sich so Gewalt von Jugendlichen eindämmen ließe ? immerhin der Zweck der vom Land Berlin eingebrachten Vorschläge. Vielmehr würde damit "jedes größere Brot- und Küchenmesser zur Waffe erklärt", mit denen Minderjährige dann keinen Umgang mehr haben dürften, wie es in einer Begründung der Bundesregierung heißt. Auch Taucher, Metzger oder Angler würden damit kriminalisiert, obwohl von ihnen "in der Regel kein Sicherheitsrisiko ausgeht".

Durchgesetzt wurde es nach längeren Verhandlungen im Bundesrat dann doch ? vor allem das Land Berlin machte sich dafür stark. Wer solche Messer in der Tasche haben will, muss sie dort gut verschließen, sie dürfen nicht "zugriffsbereit" sein. Denn tragen darf man sie nur noch bei der Berufsausübung oder beim Sport.

Für GdP-Chef Freiberg ist das lediglich "ein gesetzliches Deckmäntelchen für den langjährigen Personalabbau bei der Polizei und Beruhigungspille für die Bürgerinnen und Bürger". Dieses Verbot gehe an der Wirklichkeit vorbei, sagte er. "Es sind nicht die Messer, die Straftaten begehen, sondern eine bestimmte Gruppe gewaltbereiter Menschen. Diese überschaubare Gruppe wird sehr schnell andere, ebenso gefährliche Stichwaffen mit sich führen, die aber nicht unter das Verbot fallen werden." Wichtiger als neue Gesetze sei es, diesen Tätern, klar zu machen, dass sie gefährliche Gegenstände nicht bei sich tragen dürften. Wirkungsvolle Präventionsarbeit aber sei sehr personalintensiv. Das Personal dafür jedoch stehe nicht zur Verfügung.

Was kommt nicht? Vor allem wird es auch bei dieser Novelle kein zentrales Waffenregister geben, eine Forderung, die die Polizei schon lange erhebt. Waffenbesitzer und ihre Knarren werden weiter von den Landeskriminalämtern registriert und gespeichert. Die Suche nach dem Besitzer einer Waffe über die Ländergrenzen hinweg bleibt aufwendig.

Für den GdP-Chef Freiberg ein Ärgernis: "Es ist ein Skandal, dass die große Koalition bei ihrer Reform den Aufbau eines bundesweiten Waffenregisters ausklammert. In Deutschland wird inzwischen jede Banane gezählt, aber die Polizei weiß nicht, wie viele legale Waffen es im Land gibt." Auch bei der zweiten Polizeigewerkschaft ist man nicht glücklich. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte: "Jede Kuh und jedes Schaf in Europa hat eine Registriernummer und wird in einer zentralen Datei registriert, aber Schusswaffen können wir nicht einmal von einer Stadt in die andere zurückverfolgen!"

http://images.zeit.de/text/online/2008/09/waffengesetz-novelle

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