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Frieden schaffen, wenn's sein muss, mit Waffen


CityCobra

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Europas Sicherheitspolitik sollte keine Blaupause des US-Pendants sein, sondern die eigenen Vorzüge ausspielen.

Das Internationale Institut für strategische Studien (IISS) hat die militärischen Fähigkeiten von 41 europäischen Ländern erstellt. Die Verteidigungsexperten sind verwundert darüber, dass die Europäer auch 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges nicht in der Lage sind, die Strukturen ihrer Armeen zu modernisieren. Besonders von der anderen Seite des Atlantiks tönt es immer wieder, dass Europa in Zukunft mehr Aufgaben bei der Bewahrung von Sicherheit und Stabilität schultern solle.

Zuerst ein paar Fakten: Die Truppenstärken der Armeen der EU und der USA sind annähernd gleich: Die US-Streitkräfte zählen 1,5 Millionen Männer und Frauen in Uniform ? nimmt man die Nationalgarde hinzu, sind es fast zwei Millionen. Die europäischen Armeen verfügen mit 1,91 Millionen Soldaten über nahezu das gleiche Truppenpotenzial. Eine weitere Klage der US-Generäle an die Adresse ihrer europäischen Ansprechpartner lautet, es gäbe nicht genügend Lufttransportkapazitäten.

Das ist falsch: Europäische Nato-Staaten verfügen über 681 Lufttransporter, die USA über 819 ? also kein signifikanter Unterschied.

Bei den Rüstungsausgaben werden die Unterschiede aber deutlich: 40 Prozent der globalen Rüstungsausgaben entfallen auf die USA, das sind über 450 Milliarden Dollar, also vier Prozent des Bruttosozialprodukts. Die europäischen Nato-Partner geben mehr als 240 Milliarden Dollar für ihre Verteidigung aus, das sind 1,9 Prozent des Bruttosozialprodukts und 21 Prozent der globalen Rüstungsausgaben.

Doch aufgrund der historischen Erfahrungen auf dem europäischen Kontinent sollte das nicht verwundern: Die vergangenen 94 Jahre mit zwei zerstörerischen Weltkriegen haben Europa gelehrt, dass kriegerische Auseinandersetzungen nicht die ultima ratio zur Bewältigung von Konflikten sein können. Gleichzeitig haben aber die Jahre der Balkan-Kriege und die Nato-Luftschläge zum Schutz der bosnischen Zivilbevölkerung 1994 und 1995 gezeigt, dass es zur Beendigung von Kriegen eines robusten militärischen Eingreifens bedarf.

Die Europäer müssen also Gedanken darüber anstellen, wie und mit welchen Mitteln die EU ihre Interessen wahren und Sicherheit & Stabilität sichern oder gegebenenfalls herstellen kann.

Europa braucht dabei nicht die USA kopieren, denn der Kontinent hat eine Reihe von Vorteilen: Während die USA beispielsweise beinahe den gesamten Globus vom Nahen Osten bis zum pazifischen Raum als ihre Einflusssphäre betrachten, verstehen sich die Europäer bestenfalls als Regionalmacht. Das ist nicht charmante Bescheidenheit, sondern entspringt der Erkenntnis, dass die Zeiten imperialen Denkens auf dem Kontinent Vergangenheit sind.

Ein weiterer Vorteil Europas ist die geografische Lage des Kontinents. Die wichtigsten Ölreserven der Welt liegen etwa in relativer Nähe zu Europa, in Nordafrika, Russland und der Golfregion. Während die USA im Notfall die Tankerrouten mit Flugzeugträgern und Kreuzern schützen müssen, ist mit Europa mit Pipelines versorgt. Die Europäer verfügen auch über eine längere Erfahrung mit Friedensmissionen oder dem Wiederaufbau ziviler Strukturen in einer Nachkriegsregion als die Amerikaner; eine Aufgabenteilung nach dem Motto ?Die USA kochen, die Europäer waschen das Geschirr ab? kann dennoch nicht wünschenswert sein.

Vor den EU-Sicherheitspolitikern liegt eine lange Liste legitimer Sicherheitsinteressen: Die Staaten des Kontinents dürfen durch Terror oder militärische Bedrohungen nicht erpressbar werden, unser Wirtschaftssystem ist von Rohstoff- und Warenströmen und sicheren Transportwegen abhängig. Massenverwirrungswaffen, wie etwa Hackerangriffe auf Computersysteme, könnten sich desaströs auf das Finanzsystem auswirken und sind für die ?Software? der Gesellschaft ebenso bedrohlich wie Massenvernichtungswaffen für die ?Hardware?.

All das erfordert eine stärkere Zusammenarbeit der EU-Partner. Denn die Europäer wollen nicht mehr Geld in die Rüstung stecken als bisher. Mit einer stärkeren Integration der verfügbaren Mittel und dem gleichzeitigen Abbau von Parallelstrukturen lässt sich viel Geld einsparen, und sie führt gleichzeitig zu moderneren, leistungsfähigeren Armeen. Österreich braucht neutralitätsbedingt nicht abseitsstehen: Friedensmissionen unter UN-Mandat und gemeinsamer Schutz von Infrastruktur sollten mit der Neutralität vereinbar sein.

http://diepresse.com

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