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Wie nachlässig die USA mit Atomwaffen umgehen


Toni

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Herrenlose Sprengköpfe, verpatzte Tests, unbewachte Abschusscodes: Die US-Armee schludert im Umgang mit ihrem Atomwaffenarsenal - und blamiert so Verteidigungsminister Gates, der erst kürzlich mehr Sicherheit versprach.

Hamburg - Die Nachrichten aus der Luftwaffenbasis Minot im US-Bundesstaat North Dakota dürften US-Verteidigungsminister Robert Gates mächtig die Laune verdorben haben. Drei Soldaten, die auf ein Bauteil einer Atomrakete hätten aufpassen sollen, sind während der Wache eingeschlafen. Ein vierter, der zu der Gruppe gehörte, hatte seine Kollegen schon vor deren Nickerchen verlassen. Und eigentlich, so sehen es die Richtlinien der US-Luftwaffe vor, hätten mindestens zwei Soldaten - ausgeschlafene, versteht sich - zur Stelle sein müssen.

Der peinliche Vorfall ist allerdings die jüngste Episode in einer ganzen Serie von Pannen. Daher spielt es nur eine untergeordnete Rolle, dass die Abschusscodes, die in dem Bauteil gespeichert waren, schon deaktiviert waren, denn laut Reglement gelten die Codes auch dann noch als streng geheim und sicherheitssensibel. Das ändert sich erst, wenn das Bauteil an seinem endgültigen Bestimmungsort eingetroffen ist. Auch dass die Komponente aus der Rakete in einer mit einer Zahlenkombination gesicherten Box verschlossen war und sich in einem militärischen Sperrgebiet befand, hilft den schläfrigen Soldaten zu ihrer Verteidigung wenig. (mehr...)

Die Schlummer-Panne, die sich - wie erst am Freitag bekannt wurde - bereits am 12. Juli ereignete, ist der vierte Zwischenfall im Zusammenhang mit US-Atomwaffen binnen eines Jahres. Im vergangenen August flog ein B-52-Bomber irrtümlich mit einer Ladung Atomsprengköpfe vom Stützpunkt Minot aus nach Barksdale im Bundesstaat Louisiana - eigentlich hätte das Flugzeug nur Attrappen transportieren sollen. Mehr als zwölf Stunden lang bemerkte niemand den Irrtum, berichtete die "Air Force Times". Die B-52 stand mit sechs scharfen Nuklearsprengköpfen unter den Tragflächen auf dem Rollfeld herum.

Note: "inakzeptabel"

Im März dann ein neuer Schock: Das Pentagon stellte fest, dass statt Batterien für Hubschrauber versehentlich eine Ladung Zünder für Atombomben nach Taiwan gesandt worden war. Nach 18 Monaten bemerkten die Behörden den Fehler - und ließen die brisante Fracht wieder zurückbringen.

Und erst im Mai war der Luftwaffenstützpunkt Minot ein weiteres Mal Schauplatz unrühmlicher Vorgänge: Die Einheit fiel durch die offizielle Sicherheitsinspektion. Die Beurteilung im Bereich Sicherung des Nukleararsenals: "inakzeptabel". Laut "Washington Post" kreideten die Inspekteure den Soldaten damals etliche Versäumnisse an, darunter:

Die Sicherheitskräfte des Stützpunkts verhielten sich während einer Übung, die einen Überfall auf die Basis simulieren sollte mit dem Ziel, Atombomben zu stehlen, falsch. Die Soldaten hätten sich eigentlich in einer eigens definierten Verteidigungszone versammeln sollen.

Die Wachposten versäumten es, einen Rettungswagen zu durchsuchen, der während der Übung in den Bereich hinein fuhr, in dem die Atomwaffen gelagert werden, und diesen auch wieder verließ.

Ein Wachposten spielte während seiner Wache ein Videospiel auf seinem Handy.

Mehrere Sicherheitskräfte waren vorschriftswidrig unbewaffnet, obwohl sie entlang der Strecke positioniert waren, über die Atomwaffen transportiert werden sollten.

Die Reaktion auf die Pannenserie folgte prompt, und die Strafmaßnahme kam von Verteidigungsminister Gates persönlich. Michael Wynne, als Staatssekretär zuständig für die Luftwaffe, und der militärische Chef der Air Force, General T. Michael Moseley, mussten Anfang Juni ihren Hut nehmen. (mehr...)

"Wir tragen eine ungeheure Verantwortung"

"Fehler sind nicht hinnehmbar", zitierte die "New York Times" Gates damals, "sei es beim Versand oder beim Umgang mit sensiblen Bestandteilen" des US-Atomwaffenarsenals. Laut Pentagon liegt der Bestand an nuklearen Sprengköpfen in den USA bei derzeit rund 3800 - eine Menge, die verpflichtet. "Unsere Linie ist klar. Wir haben stets die völlige Kontrolle über unsere Atomwaffen, und wir werden alle damit verbundenen Bauteile immer mit der nötigen Sorgfalt behandeln", sagte Gates. "Wir tragen eine ungeheure Verantwortung, die wir niemals auf die leichte Schulter nehmen dürfen und werden."

Eindruck gemacht haben bislang aber offensichtlich weder der Personalwechsel noch die salbungsvollen Worte des Ministers. Einen Kommentar aus dem Pentagon zu der jüngsten Schlamperei gibt es noch nicht.

Wer nun die Verantwortung für den neuen Vorfall in Minot tragen muss, ist noch unklar. Die Vorgesetzten müssen noch darüber befinden, ob und wie die müden Soldaten bestraft werden. Die US-Luftwaffe sieht jedenfalls keinen direkten Handlungsbedarf. In einer Stellungnahme heißt es, eine Untersuchung habe ergeben, dass die Panne mit den unbewachten Codes keinerlei Schaden angerichtet habe. Das Verhalten der Soldaten ist allerdings mit den Anforderungen des Pentagonchefs kaum vereinbar. "Völlige Kontrolle", "nötige Sorgfalt" und "ungeheure Verantwortung" sehen wohl anders aus.

http://www.spiegel.de

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