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Die Waffen-Hamsterer


Sergeant-Miller

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Viele Amerikaner fürchten, dass die neue Regierung von Barack Obama ihnen ihre Arsenale wegnehmen will. Ob Jagdflinten, Schrotgewehre, Revolver oder Pistolen - die Nachfrage ist groß, besonders im Südwesten der USA.

FLAGSTAFF - Harold McCoy ist auf das Schlimmste gefasst. ?Wenn sie bei mir die Tür eintreten?, sagt der 67-Jährige und zeigt auf seine umfangreiche Waffensammlung, ?bin ich vorbereitet.? Drei Sturmgewehre, eine Jagdflinte, ein Schrotgewehr und vier Pistolen liegen auf seinem Kaffeetisch und seiner Couch, unter der Tischplatte hat er eine Patrone mit Tränengas befestigt, die im Notfall ruck, zuck zur Hand ist. McCoy ist kein gesuchter Verbrecher, er ist nicht mit der Drogenmafia im Geschäft und hat keine Spielschulden in Las Vegas. Der Mann aus Rimrock in Arizona ist ein ganz normaler Rentner, doch wie viele Amerikaner im Südwesten fürchtet er, dass die nächste US-Regierung ihm an die Waffen will.

Für Menschen wie Harold McCoy kommt das einem Sakrileg gleich. Barack Obama hat zwar betont, dass er den zweiten Verfassungszusatz respektiert, der amerikanischen Bürgern das Recht zumBesitz und dem Tragen von Waffen verbrieft. Doch er will unter anderem den Privatbesitz von Sturmgewehren einschränken. Und das treibt viele Waffenfans nun zu Hamsterkäufen. ?Mein Geschäft?, sagt Colleen Reeder, ?geht weit besser, als die wirtschaftliche Lage es vermuten ließe. Manche Leute scheinen derzeit in Waffen zu investieren wie in Gold.?

Reeder betreibt in Flagstaff, Arizona den ?Pistol Parlor?, einen Laden, der halb Tiermuseum und halb Waffengeschäft ist: Ausgestopfte Bisons, Berglöwen, Schwarzbären, Hirsche, sogar ein Pavian bevölkern den Verkaufsraum - Trophäen, die Colleen Reeder und ihr Mann Gary von internationalen Jagdausflügen mitgebracht haben.

In Arizona ziehen in der winterlichen Jagdsaison ganze Familien in ihren Pick-ups und Campern für Tage oder Wochen in die Wüste, das ist hier so normal wie der weihnachtliche Einkaufsbummel. Und ein Gewehr auf der Hutablage oder der Pistolengurt auf der Hüfte sind ein alltäglicher Anblick. Im vorvergangenen Jahr schmetterte Arizonas Gouverneurin Janet Napolitano nur mühsam eine Gesetzesvorlage ab, die den Besuch von Bars und Restaurants mit geladener Waffe erlaubte. Dies ist der alte Westen, wo die meisten Siedlungen ihre Ursprünge in militärischen Forts zum Schutz vor Apachenangriffen haben, wo Kojoten, Schwarzbären und Berglöwen zu Hause sind, wo Goldsucher bis heute ihre Claims mit vorgehaltener Waffe verteidigen.

Mancherorts ist die Wildwest-Vergangenheit noch lebendig. William ?Doc? Van Horn, ein Jeeptouren-Fahrer aus dem Touristenstädtchen Sedona, könnte eben einer Zeitmaschine aus 1880 entstiegen sein. Der 58-Jährige ist auch im Jeep nie ohne seinen Revolver und seine Winchester unterwegs, und die Touristen finden das klasse. ?Meine Waffen?, sagt Van Horn, ?nimmt mir niemand weg.?

Zwar geht es Obama gar nicht um die Beschränkung von Jagdgewehren oder Handfeuerwaffen. Der gewählte neue US-Präsident will einen Bann auf militärische Waffen erneuern, wie er zuletzt unter der Regierung Clinton 1994 verabschiedet wurde. Eine Verlängerung scheiterte 2004 im US-Kongress. Doch für Colleen Reeder ist dies ?ein erster Schritt zur Konfiszierung unserer Waffen?. Und die mächtige Waffenlobby NRA hat eine gezielte Verunsicherungskampagne gestartet, die unter anderem behauptet, Obama plane ein generelles Verbot von Handfeuerwaffen, die Schließung von 90 Prozent aller Waffenläden und die Anhebung von Steuern auf Waffen und Munition um 500 Prozent. Das ist zwar, wie die ?Washington Post? kürzlich in ihrem Pinocchio-Test bemerkte, ?faktisch weitgehend unkorrekt?. Doch ein Slogan macht unter Waffenfreunden die Runde: Deckt euch ein, für alle Fälle.

?Waffen, Magazine, Munition - bei uns ist zurzeit alles knapp?, sagt Kevin Cejda, dessen Sortiment im ?High Noon? in Prescott Valley von der Handtaschenpistole bis zur halbautomatischen AR-15, einer Art Rambo-Gewehr, reicht. ?Besonders die Sturmgewehre fliegen nur so aus den Regalen,? sagt Cejda. Die schwarze AR-15, die er im Arm hält, trägt auf dem Kolben in kleinen weißen Buchstaben die Worte ?Military and Police?, doch nach herrschendem Gesetz sind solche Waffen auch Zivilisten frei zugänglich.

Der zweite Verfassungszusatz, 1791 verabschiedet, garantierte dem amerikanischen Volk das Waffenrecht aus Sorge um die junge Demokratie. Notfalls sollte man sich gegen eine tyrannische Regierung wie jene, von der man sich eben erst abgespalten hatte, zur Wehr setzen können. Und bei der Besiedlung des Westens, in den jungen, oft gesetzlosen Gemeinden an der ?Frontier?, wurde die Verteidigung des eigenen Hab und Guts mit Waffengewalt zum Gewohnheitsrecht. Wer die weitläufige Hochwüste Arizonas mit ihren urwüchsigen Canyons und schroffen Gebirgszügen seine Heimat nennt, hat noch heute andere Prioritäten als der Großstadtbewohner in den Ballungszentren an den Küsten.

Viel ist über das Verhältnis der Amerikaner zu ihren Waffen gelästert worden, am prominentesten vielleicht in Michael Moores oscargekrönter Dokumentation von 2002, ?Bowling for Columbine?. Moore macht darin eine gezielte Verunsicherung der Bevölkerung durch die Werbekampagnen von Waffenhändlern und Sicherheitsfirmen und die sensationslüsterne Verbrechens-Berichterstattung der Nachrichtenmedien für die amerikanische Waffenvernarrtheit mit verantwortlich. Annähernd 30 000 Menschen starben 2005 an Schusswunden: über 12 000 Mordopfer, mehr als 17 000 Selbstmörder, fast 800 Unfalltote. Erst vor zwei Wochen erschoss in St. Johns im Nordosten Arizonas ein achtjähriger Junge seinen Vater und dessen Untermieter. Der Knirps hatte das Schießen vom Vater gelernt, und es war kein Unfall - während der Tat musste er achtmal nachladen.

Harold McCoy sagt, es müsse sich um eine ?psychische Störung? handeln. Seiner Tochter habe er schon mit vier das Schießen beigebracht, seine vier Kinder seien mit lauter Waffen im Haus groß geworden. ?Da ist nie was passiert.?

Die Tragödie von St. Johns hat dem Boom in den Waffenläden nichts anhaben können. Harold McCoy hat kürzlich seine Munitionsvorräte bei Walmart aufgestockt - auf mehr als 1000 Schuss, wie er sagt. Er will es nicht drauf ankommen lassen. ?Erst nehmen sie dir die Waffen weg, und dann sagen sie dir, was du zu tun hast?, sagt er. Deshalb wird er sein Waffenarsenal demnächst auf seinem Grundstück vergraben. ?Am besten sind PVC-Rohre, die man versiegelt und senkrecht in den Boden lässt,? sagt McCoy. Außerdem will er Eisenstangen verbuddeln, zur Ablenkung der Metalldetektoren. Anleitungen dazu kursieren auf einschlägigen Seiten im Internet. ?Besser?, sagt McCoy, ?man ist vorbereitet.?

http://www.ksta.de

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