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DH Kolumne No. 38 - Killingtainment


DirtyHarry

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Sehr geehrte Gunboardler,

"Killingtainment" scheint eine neue Mode der Gesellschaft zu sein. Was anfangs der 80ger Jahre im Fernsehen noch strikt tabu war ist heute der Normalfall: Per Videoaufzeichnung Menschen zusehen zu können wie sie in Echt sterben ! Der ultimative Kick ? Nur etwas für kranke Gehirne ? Schüttet man deswegen über Tote soviel Erde um damit vorzubeugen, dass Perverse sich an dem Anblick ergötzen ?

Im letzten Fünftel dieses Jahrhunderts fing es an. Erinnern Sie sich noch an die Angriffe von auf Tripolis und Bengasi ? Die erste Aktion seit langem gegen Terrorismusunterstützer. Gadaffi entrann nur haarscharf dem Tod. Doch ein US Flugzeug wurde abgeschossen und die beiden Piloten kamen ums Leben. Die grässlich entstellten Wasserleichen waren später im Fernsehen zu sehen. Viele Sender zeigten nur eine Hand. Die sah so schlimm aus, dass der Fernsehzuschauer auf den restlichen Anblick gerne verzichtet hat. Dann wurde Ceaucesceau in Rumänen von der Bevölkerung einen Kopf kürzer gemacht. Eine denkwürdige Szene im TV: Keine zwanzig Meter von einem westlichen Fernsehteam weg meinte ein Mann aus der Bevölkerung eine gute "Show" bieten zu müssen. Mit der AK 47 mitten auf die Strasse und auf ein viele hundert Meter entferntes Hochhaus angelegt wo regierungstreue Truppen noch Widerstand leisteten. Die Aktion dauerte ungefähr 5 Sekunden bis der Rebell von einem gegnerischen Scharfschützen erledigt wurde. Hätte der mediengeile Rumäne vorher "Jan Boger" gelesen, dann hätte er gewusst, dass bevorzugt aus der Deckung heraus geschossen wird. Aber was tut man nicht alles um ins Fernsehen zu kommen ? Sah cool aus - wie im Kinofilm - allerdings nicht sehr lange ...

In der Ära der Computerspiele und der Rückkehr der Kriegsfilme waren wir doch einiges gewohnt. Selber schon einmal "Delta Force - BHD" gespielt ? Man kommt sich vor wie im Kinofilm "Blackhawk Down". Die fleissigen deutschen MG Schützen in "Soldat James Ryan" versuchten vergeblich die Invasion in der Normandie zu verteiteln. Im selben Film schiesst eine deutsche Pak einem GI den Kopf weg - Sachbeschädigung an einem deutschen Panzer zieht halt Folgen nach sich ... Natürlich weiss der Zuschauer im Nachhinein, waren ja alles nur Schauspieler díe nachher am Set ein Bier miteinander trinken und gottfroh sind, dass der Horror des Krieges für sie zum Glück nicht echt ist. Nur eine Kinoproduktion.

Macht der Horror des Krieges eigentlich "gaga" im Kopf ? Wieviel verträgt ein Mensch davon ? Wohl nicht ohne Grund sind kurz nach dem Afganistankrieg einige KSK Soldaten nach Hause zur psychologischen Behandlung geschickt worden. So Tätigkeiten wie Leichenteile einsammeln und Puzzle damit zu spielen nur um zu berechnen ob eine Bombe nun 10 oder 20 Taliban zerbröselt hat schlägt doch irgendwie aufs Gemüt ?

Fragt sich nur ob das auch der Fall ist wenn man sich das im Fernsehen ansieht. In letzter Zeit gross in der Diskussion das Skandalvideo von CNN. Ein US Hubschrauber tötet mehrere Iraker mit einer 30 mm Maschinenkanone. Die Unglücklichen explodieren förmlich im Hagel der Granaten. Ein Verwundeter der sich auf die Strasse schleppt wird ebenfalls nochmals gründlich unter Feuer genommen. Natürlich schneiden die Militärs und die Fernsehkanäle wie die Wilden an dem Filmchen herum - bishin zum Weglassen der Tatsache, dass die Getöteten zuvor US Truppen angegriffen haben. Jeder will die für sich günstigste Version der "Wahrheit" haben. Gibts es die Szene irgendwann einmal als "Director/'s Cut" auf CD ? Wir wissen es nicht.

Schöne neue Medienwelt ? Ist das Ansehen dieser Videos "gaga" ? Oder ist das gar die Folge für die Konsumenten ? Besser unter Verschluss halten oder zeigen, dass den Leuten die Lust auf reale Kriege vermiesst wird. Was meinen Sie ?

In diesem Sinne,

ihr Dirty Harry

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Ich würd das mal nicht überbewerten... Schon die Nachrichtenbilder aus Vietnam vergessen wie der Polizeichef von Saigon einen Vietcong exekutiert?

killer1.jpg

EIn Bild das um die Welt ging.

Oder was war mit dem Aufstand in Nicaragua wo ein westlicher Kameramann mit laufender Kamera erschossen wurde?

In Zeiten wo in Hollywood ein schwachsinniger Patriotismuslastiger und ideologisch fragewürdiger Streifen nach dem anderen Produziert wird (ekliger schwachsinn James Ryan oder gar Pearl Harbour) und die Amerikaner der Welt solche Bilder nightvision.jpg als verniedlichende Version von Krieg liefern sind solche Aufnahmen und Bilder im Bewusstsein der Menschen nötiger den je um überhaupt ein Bewusstsein zu schaffen. Die Amerikaner halten solche Bilder vor ihrem Publikum unter Verschluss da die Stimmung im Land umschwenken könnte. Deswegen verbreiten die sich auch im Internet wie ein lauffeuer.

Während dem Irakfeldzug wollten alle die Bilder von den Kriegsgefangenen und getöteten US Marines sehen. Die Al jazeera videos sind über die Tauschbörsen wie ein Lauffeuer gegangen weil im Fernsehen nur stundenlange Aufnahmen von "Americas Bravest" beim Marsch durch die Wüste liefen... :aua:

Eine Gesellschaft die Krieg als Cartoon verkaufen will...

Welche Moral ist das? :dr:

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Es hat auch viel damit zu tun, dass der Tod nicht mehr Bestandteil unserer Gesellschaft ist.

Früher hielt man den sterbenden Angehörigen die Hand, war für sie da und nahm selbst an diesem Moment teil, auch um dem Sterbenden sein Ende zu erleichtern und Hilfe zu bieten.

Heute ist dies verdrängt, anonym und fremd geworden. Die meisten Menschen kennen den Tod eben nur aus dem Fernsehen oder der Zeitung.

Vielleicht ist es gerade das, was ihn dann wieder für den Zuschauer so faszinierend macht?

Wir gehen an unserer eigenen Zivilisation zugrunde...

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Mir geht sowas immer an die Nieren, darum versuche ich auch, mich für Hilfsbedürftige einzusetzen.

Es sollte selbstverständlich sein, einem Kranken oder Verletzten die nötige Hilfe zukommen zu lassen. Meist braucht es gar nicht viel Aufwand dafür. Und das Gefühl danach ist in jedem Fall besser als nur das reine Zusehen.

Holt mal ein Baby auf diese Welt, dann versteht man das besser. :mrgreen:

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