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Absolute und Regel-Unzuverlässigkeit


rajede

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Das Spannungsfeld zwischen absoluter und Regel-Unzuverlässigkeit

Die Regelungen zur Unzuverlässigkeit im Waffenrecht sind schwierig zu durchdringen, auch für die Waffenbehörden.

Der Fall des Verwaltungsgerichtes Magdeburg (Urteil v. 28.02.2023 – 1 A 194/22 MD) und der ungewohnt ausführliche Beschluß des OVG Magdeburg (12.06.2023 – 3 L 23/23) machen dies deutlich.

Der Kläger hat einen Jugendlichen nach einer verbalen Auseinandersetzung am Oberkörper berührt, der Jugendliche stürzte und brach sich die Hand. Das Strafverfahren wurde nach Zahlung einer Geldauflage gem. § 153a StPO eingestellt.

Zunächst könnte man denken, dies spiele für die Zuverlässigkeitsüberprüfung keine Rolle. Schließlich verlange § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG die Verurteilung zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen. Diese Vorschrift betrifft die Vermutung der Regel-Unzuverlässigkeit und machte dem Kläger keine Sorgen.

Die Waffenbehörde und die Widerspruchsbehörde sahen einen Fall der absoluten Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG.

Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit diejenigen Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden.

Die zum Ausdruck gekommene aggressive Gesinnung des Klägers lasse erkennen, dass er in Konflikt- und Stresssituationen nicht so besonnen reagiere, wie es von einem Waffenbesitzer zu jeder Zeit und in jeder Situation erwartet werden müsse.

VG Magdeburg 1 A 194/22 MD

Das VG Magdeburg ist dem entgegengetreten:

aus der Handlung [kann] – obschon sie gegenüber einem Minderjährigen erfolgte –
nicht mit hinreichender Sicherheit auf eine solche leichte Erregbar- bzw. Reizbarkeit bzw.
Unbeherrschtheit geschlussfolgert werden, die die Annahme rechtfertigt, der Kläger
werde mit Munition oder Waffen leichtfertig umgehen.

Die Behörde wollte das Urteil nicht hinnehmen und beantragte die Zulassung der Berufung.  Einerseits griff sie die Beweiswürdigung des Gerichtes an, anderseits sah sie eine grundsätzliche Rechtsfrage als klärungsbedürftig an:

ob nicht vielmehr eine reine Begehung einer Körperverletzung die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit …  begründen kann.

Diese Tendenz ist bei vielen Waffenbehörden feststellbar. Die ausgeworfene Strafe oder die Einstellung des Verfahrens führen nicht zur Regel-Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG und daraufhin meint dann manche Behörde, die absolute Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG anwenden zu können.

OVG Magdeburg 3 L 23/23

In unserem Fall eine vermeintliche Gesinnung des Antragstellers. Das OVG Magdeburg hat diese Überlegungen deutlich zurückgewiesen:

Im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG ist für die absolute waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung nicht jedes Fehlverhalten relevant.

Es muß ein spezifisch waffenrechtlich bedenkliches Verhalten sein, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert.

Spezifisch waffenrechtlich bedenklich sind u.a. bestimmte Persönlichkeitszüge/Wesensmerkmale einer Person (reizbar, unbeherrscht auf Provokationen reagierend, mangelndes Potential für gewaltfreie Konfliktlösungen, zu Affekthandlungen neigend etc.).

Die Entscheidungen sind im Volltext verlinkt und helfen hoffentlich dem einen oder anderen:

VG Magdeburg v. 28.02.2023 1 A 194/22 MD

OVG Magdeburg v. 12.06.2023  3 L 23/23

 

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