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Gesellschaft im Würgegriff der Waffenlobby


DirtyHarry

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Eine entwaffnete Republik

Die private Verfügung über Waffen ist kein Ausweis bürgerlicher Freiheit, sondern ein Relikt aus vordemokratischer Zeit

Von Astrid Hölscher

Der freie Bürger bedarf der Waffen nicht. Jedenfalls nicht nach unserem Rechtsverständnis. Es gibt andere Traditionen, in der Schweiz etwa, wo das Gewehr im Schrank zum Bildnis des wehrhaften Staatsbürgers wurde, in den USA, wo die Reminiszenz an den Zug der - nicht nur friedlichen - Siedler gen Westen sich heute noch im Besitz von Schießprügeln manifestiert. Das Gewaltmonopol des Staates, auf das sich alle Demokratien verständigt haben, erstreckt sich nicht zwangsläufig auf die ausschließliche Verfügung der Sicherheitsorgane über sämtliche Schusswaffen im Land. Ein solches Waffenmonopol aber wäre folgerichtig in einem Rechtssystem, in dem niemand in eigener Regie seine Ansprüche mit Gewalt durchsetzen soll und darf. Und es ist erstrebenswert - nicht erst seit dem vergangenen Freitag.

Nach Erfurt, nach dem allgemeinen Erschrecken über den mörderischen Hass eines 19-Jährigen, mag es leichter fallen, nach einer Entwaffnung der Republik zu rufen. Manchen mag dies sogar als wohlfeil erscheinen, als eine Augenblicksstimmung, der Hilflosigkeit angesichts einer schwer erklärbaren Tat geschuldet. Gewiss ist Vorsicht geboten, wie stets in emotional aufgeladenen Situationen, in denen die Forderung nach Gesetzesverschärfungen zum scheinbar rettenden Reflex gerät. Wir möchten verbieten, was uns ängstigt, von der Pump-Gun bis zum martialischen Video oder Computerspiel, um Sicherheit zurückzugewinnen, und sei sie noch so trügerisch. Die Politik steht - auch jenseits der in Wahlzeiten notorischen Profilierungssucht - unter erhöhtem Erwartungs- und Handlungsdruck: Solche Tat muss einfach Konsequenzen haben. Was eine besonnene Auseinandersetzung nicht eben befördert.

Diese aber ist notwendig, gerade unter dem noch nahen Eindruck von Erfurt. Zuweilen, dies ist die Kehrseite der von Menschen verursachten Katastrophen, macht Not schließlich auch nachdenklich. Fehler und Versäumnisse, an die sich die Mehrheit gewöhnt hat, werden deutlich sichtbar; das Anstoß Erregende kann Anstöße freigeben, einen Ruck auslösen, der weit in die Gesellschaft wirkt.

Der Gedanke, dass Waffen nicht in die Hand von Kindern und Jugendlichen und im Grunde überhaupt nicht in private Haushalte gehören, ist ja keineswegs abwegig. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass 2,3 Millionen Privatpersonen in Deutschland 7,2 Millionen Waffen besitzen. Die meisten davon Vereinsmitglieder, Jäger und Sammler, nur eine verschwindende Minderheit (15 000 im vorigen Jahr) argumentiert mit persönlichem Schutzbedürfnis. Selbst wer den gemeinschaftsbildenden Wert von Vereinen hoch schätzt, kann schwerlich begründen, warum Schützenbrüder und (weniger) -schwestern ihr gefährliches Werkzeug nach Hause tragen müssen. Ein Panzerschrank im Klubhaus mag bereits die öffentliche Sicherheit erhöhen. Und dass in Zukunft bereits Zehnjährige ans Druckluftgewehr gelassen werden sollen, wie im gerade vom Bundestag verabschiedeten Waffengesetz vorgesehen, ist nur mit einer Fixierung auf olympische Medaillenspiegel zu erklären - früh übt sich, was ein umjubelter Biathlet werden soll.

Zwanzig Jahre lang hat die Lobby der Schützen, Jäger und Sammler eine vernünftige Reform des Waffenrechts in der Bundesrepublik vereitelt. Nun ist es möglich und nötig, einen halbherzigen Reformversuch in einen wirksamen zu wandeln. Ein Zeichen zu setzen, dass diese Gesellschaft Schusswaffen ächtet, indem deren legaler Besitz rigoros eingedämmt und deren illegale Beschaffung härter geahndet wird. Nicht um des bloßen politischen Handlungsnachweises willen. Und auch nicht in dem Wahn, kriminelle Taten allein durch Verbote unterbinden zu können. Vielmehr in der Erkenntnis, dass die private Verfügung über Waffen kein Ausweis bürgerlicher Freiheit ist, sondern ein Relikt aus vordemokratischer Zeit.

Mehr dazu im FR Top-Thema

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Copyright © Frankfurter Rundschau 2002

Dokument erstellt am 29.04.2002 um 21:37:04 Uhr

Erscheinungsdatum 30.04.2002

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Und auch nicht in dem Wahn, kriminelle Taten allein durch Verbote unterbinden zu können. Vielmehr in der Erkenntnis, dass die private Verfügung über Waffen kein Ausweis bürgerlicher Freiheit ist, sondern ein Relikt aus vordemokratischer Zeit.

und die nachdemokratische Zeit ist die Diktatur oder Entmündigung der Bürger?! :twisted:

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